Beilstein in vergangener Zeit

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Nordtor von Innen
Stadtinnenseite des Nordtores / Nahsicht
           
Innerer Torbogen - Fernsicht
Stadtinnenseite des Nordtores / Fernsicht

Ein überbautes Tor im alten Stadtkern (am Fuß der Klostertreppe): Die Theorie, daß Beilstein ein inneres und äußeres Nord-Stadttor besaß, ist wohl nicht haltbar. Dieses Tor erklärt sich durch den Platzmangel und die enge Bebauung in der Altstadt, die jeden Quadratmeter überbaute. Das wirkliche nördliche Stadttor ist im Hintergrund zu erkennen. Zwischen diesen beiden Toren erstreckte sich in Beilstein das jüdische Wohnviertel mit der Synagoge.( Foto etwa um 1900)


Äußeres Nordtor

Äußeres nördliches Stadttor, diesmal Blick stadteinwärts.


Nord-Tor Kochems

Dieses Foto (Datierung: Juli/ August 1932), aufgenommen exakt am gleichen Standort, wurde mir vor einiger Zeit von einem Beilsteiner Gast übermittelt. Es bildet eine Gruppe von jungen Frauen bzw. Mädchen ab, die im Spätsommer 1932 in Beilstein wohl einige ausgelassene Tage zugebracht haben und höchstwahrscheinlich in der Jugendherberge übernachteten. Zu sehen ist der Beilsteiner Winzer Edmund Kochems, der scheinbar unbeteiligt wahrnimmt, wie eine Trupp junger Frauen sich mit seinem Holzkarren vergnügt. Aber wir sind im Jahre 1932: In diesem Jahr wird Deutschland auf eine Arbeitlosigkeit von 6 Millionen Menschen zusteuern, Der Weinjahrgang 1932 wird an der Mosel eine große Missernte mit einhergehender Not für die Winzer bringen. Hitlers Nazipartei wird zur stärksten Partei im Reichstag und wird kaum ein halbes Jahr nach dieser Aufnahme den Reichskanzler stellen - und dann dieses Foto von ausgelassenen, selbstbewußten jungen Frauen, die anscheinend mit all dem nichts zu tun haben! Welch ein Anachronismus. Läßt man sich auf die Situation ein - man hört fast das vergnügte Lachen der Gruppe und möchte sie fragen " Na wie war es denn neulich bei eurem Beilstein Urlaub?" Aber die Szene ist fast ein Jahrhundert her und niemand daraus lebt noch, selbst wenn es uralte Frauen geworden wären ....


Abgebrochenes Haus zwischenden Nordöstlichen Toren

Dieses uralte Fachwerkhaus - vormals gelegen zwischen den beiden nördlichen Toren - steht seit 1992 leider nicht mehr in Beilstein. Über Generationen war es ebenso wie das zur Rechten angrenzende Wohnhaus Eigentum der Weinbergsbesitzer Kochems. Die letzte Generation Josef und Susanne Kochems verstarben in den 1950er Jahren. Die Beilsteiner nannten die Häusergruppe deshalb "das Sannsche-Haus". Das dreigeschossige Fachwerkhaus wurde zuletzt als Lager für Weinbergsgeräte, Heu und Viehfutter genutzt. Im tonnengewölbten Bruchsteinkeller wurde Vieh gehalten.


Clemens Wenzeslaus Kurfürstliche Residenz zu Koblenz 1787
Das Ehepaar Kochems am Tag ihrer Hochzeit vor
der Beilsteiner Pfarrkirche. (Aufn. 1920er Jahre)


Es fällt auf, Susanne Kochems trägt ein schwarzes Brautkleid. Mode und Brauchtum rund um das Brautkleid unterlagen in den vergangenen Jahrhunderten einem Wandel. Im Mittelalter trugen begüterte und "betuchte" Adelige und Bürgerinnen am Hochzeitstag kostbare, bunte Stoffe. Durch den Einfluss spanischer Mode wurden ab dem 16. Jahrhundert schwarze Kleider modern. Diese Mode durchdrang allmählich auch ärmere Schichten und Klassen, d.h. auch die ländliche Bevölkerung. Die Winzerfrauen an der Mosel besaßen bis ins 20. Jahrhundert hinein oftmals nur ein einziges kostbares schwarzes Kleid, welches zu allen möglichen Feierlichkeiten oder an Sonntagen getragen wurde. Ein weißes Brautkleid nur für einen einzigen Tag anzuschaffen war für die allermeisten Familien in den Moseldörfern undenkbar. So trugen die Bräute ein schwarzes Brautkleid, welches auch vor und nach der Hochzeit genutzt werden konnte. Auch praktische Erwägungen spielten hier eine Rolle. Schwarze Stoffe waren preiswerter und auch leichter zu reinigen; nicht unwichtig in Zeiten ohne Besitz einer Waschmaschine. Um das Jahr 1900 wurde es dann üblich zumindest einen weißen Schleier über das schwarze Kleid zu werfen. Das vorgestellte Foto vom Beilsteiner Kirchvorplatz stellt hier ein schönes Beispiel dar für die sich wandelnde Mode vor rund hundert Jahren.


Sannsche-Haus von außen

Das rechts angrenzende Wohnhaus (auf diesem Foto von 1936 aus dem Rühmann Film "Wenn wir alle Engel wären" in der linken Bildhälfte zu erkennen) war im inneren wohl recht herrschaftlich. Eine Art Saal im 1. Stock und eine große Flurküche ließen das Haus zu etwas Besonderem in Beilstein werden. Es war sicherlich kein Zufall, daß große Teile des Rühmann Filmes in diesem Haus abgedreht wurden.


Sannsche-Haus Küche

 
Durch diese riesige eicherne Eingangs-Kassettentüre trat man direkt in die geräumige Flurküche ein. Die uralte Türe konnte ein Nachbar beim Abbruch des Hauses retten. Er schenkte mir seinen Schatz. Die Türe ist heute Bestandteil der Theke in der hauseigenen Kellerkneipe meines "Alten Spukhauses". (Siehe hierzu auf meiner home page Rundgang durchs Haus / "Altes Spukhaus"). Das komplette Wohnhaus und der dahinter liegende Hof sind mit einem, auch noch heute nach dem Abriss vorhandenem, 20 Meter langen Tonnengewölbe unterkellert. Hinter dem Haus gab es einen kleinen Hof, der an den Felsen des Rammerberges angrenzte. In den Fels höchst sauber und exakt hineingemeißelt eine kleine Grotte, die auch heute noch etwa vier Meter unter den Rammerberg führt. Beide Häuser standen viele Jahre lang leer. Versäumte Dachreperaturen und damit eindringende Nässe verschlechterten die Bausubstanz derart, daß das Erdbeben vom Sommer 1992 die Häuser akut mit Einsturz bedrohte. Die jetzigen Besitzer planen einen Wiederaufbau der Häuser, der sich in der Gestaltung der Außenhaut an den historischen Vorgängerbauten orientiert. Hoffentlich finden sie für dieses lobenswerte Vorhaben recht bald den nötigen Mut.


Weitere Bilder aus dem Rühmann Film "Wenn wir alle Engel wären" hier


Metternich`sche Amtshaus und alte Pfarrkirche

Eine der wichtigsten Plätze, die eine mittelalterliche Stadt ausmachten, waren die Marktplätze. Als Johann II von Braunshorn zu Beginn des 14. Jahrhunderts daran ging Beilstein zur Stadt auszubauen, war die Verleihung des Marktrechtes 1316 durch den deutschen König Ludwig IV, den Bayern ein wichtiges Etappenziel. Könige, später auch die teritorialen Landesherren verliehen die Marktrechte, die verbunden waren mit dem sogenannten Marktfrieden. Dieser gewährte Stadtbewohnern, Marktbeschickern und Marktbesuchern durch die städtischen Organe Schutz und Ordnung während des Markttages. Maße und Gewichte wurden überwacht. Preise und Münzen kontrolliert, Größe und Standort der Verkaufsstände reglementiert. Dafür fielen Johann II die nicht unbeträchtlichen Marktgebühren, Zölle und Schutzgelder zu. Fand der Wochenmarkt zunächst jeden Dienstag am Moselufer statt, wurde 1322 der jetzige Marktplatz hergerichtet. Hierzu wurden zwei Häuser niedergelegt, die erst wenige Jahre zuvor erbaut wurden. Die Verlegung des Wochenmarktes hatte zwei Gründe: Zum einen machte man sich unabhängig vom Moselhochwasser, zum anderen war eine Kontrolle der Händler und Waren innerhalb der Stadtmauer weit einfacher. Der dienstägliche Markt machte Beilstein zum wirtschaftlichen Mittelpunkt der umliegenden Dörfer. Hier verkauften Bauern ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse und kauften im Gegenzug Gewerbeerzeugnisse ein. Ein sogenanntes "Stapelrecht" verpflichtete durchziehende Kaufleute ihre Waren auch hier anzubieten. Durch die Anwesenheit von fremden oder hiesigen Händlern erhielten Handwerker den Anreiz sich an einem Marktort niederzulassen. Handel und Gewerbe nahmen einen Aufschwung. Die Braunshorn zogen in Beilstein Nutzen aus einem steigenden Steueraufkommen. Auf dem Foto sehen wir das ehemalige Metternich`sche Amtshaus auf dem Marktplatz, bis 1794 Kellnerei (Finanzverwaltung) des letzten feudalistischen Herrschergeschlechtes auf Beilstein - den Metternichs. Nach Enteignung des fürstlichen Besitzes durch das revolutionäre Frankreich, wird das Haus 1795 von der Familie Lipmann gekauft und ist seitdem Gasthaus. Das Gebäude links ist die ehemalige Pfarrkirche, die 1805 profaniert wurde und dann teilweise als Kelterhaus, Schulgebäude und als Lehrerwohnung diente. (Foto etwa 1910)


Beilsteiner Backes

Eine weitere Funktion erhielt die alte Pfarrkirche mit dem Einbau des Backes nach 1805. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden in vielen Teilen Deutschlands gemeinschaftlich genutzte Backhäuser errichtet. Zum einen entwickelte man zunehmend feuerpolizeiliche Verordnungen, die das Backen in den eigenen Häusern mit strengen Auflagen verband - zum anderen war das Anheizen des Backofens eine aufwendige Angelegenheit, die man gemeinschaftlich besser und ökonomischer regeln konnte. So gab es auch in Beilstein lange Zeit einen Dorfbackes. An einem bestimmten Wochentag wurde der Backes angeheizt. Durch "Stöckchenziehen" wurde die Reihenfolge ermittelt. Die erste Familie mußte den Backofen anheizen, die letzte Ihn von der Asche säubern. Diese beiden Aufgaben waren natürlich wenig beliebt, daher der Losentscheid. Um Brotlaibe nicht zu vertauschen, gab es oft einen unverwechselbaren Brotstempel, der einer bestimmten Familie gehörte. Die Restwärme wurde im Herbst oft genutzt um Dörrobst herzustellen In den 1950er Jahren verlor der Beilsteiner Backes immer mehr an Bedeutung. Als Mitte der 1970er Jahre das Bürgerhaus umgebaut wurde, hat man leider nicht die sozialhistorische Bedeutung des Backes erkannt. Er landete, wie so Vieles , auf dem Schutt. Teile des eisernen Ofens stehen heute im Strimmiger Heimatmuseum. (Foto etwa 1950)


Zehnthaus

In diesem riesigen Gebäude -dem Zehnthaus- aus dem 16. Jahrhundert wurde der den Bauern und Winzern abgepreßte Zehnt (der zehnte Teil ihrer Jahresernte) eingetrieben und gelagert. Das Gebäude ist mittels Schwibbögen mit der Pfarrkirche verbunden. Beide Bauwerke sind im Dachstuhlbereich mit einem Laubengang verbunden.(Foto etwa 1910)





Schwibbögen

Aus dieser Position sind die Schwibbögen noch besser zu erkennen. Auch ihre Funktion wird deutlich. Der Begriff kommt aus der Architektursprache. Bögen/ Schwebebögen haben die Aufgabe Druck- und Schubkräfte bei Gebäuden abzuleiten. Bei gotischen Kirchen beispielsweise kennen wir diese Funktionen in Form von Strebepfeilern und Strebebögen. In Beilstein konnten sich Kirche und Zehnthaus bei den auftretenden Schubkräften mit Hilfe der Schwebebögen gegenseitig stabilisieren. Auf der gegenüberliegenden Seite, der Westseite der Kirche (heute Bürgerhaus) übernehmen stabile Strebepfeiler diese Aufgabe.



Zehnthaus und  ehemalige Jugendherberge

Das Gebäude links war lange Zeit die Beilsteiner Jugendherberge. Zwischen Jugendherberge und Zehnthaus schlängelt sich unterhalb des Schloßbergs ein schmales Gäßchen hoch, an dessen Ende die Ostseite der mittelalterlichen Stadtbefestigung verlief. (Foto ca.1925)


Schloßstrasse ohne Stufen

Rund 40 Jahre vorher gab es auch an dieser Stelle noch keine Treppenstufen. Der Höhenunterschied zwischen Marktplatz und Schloßstraße wurde über den blanken Schieferfels überwunden. (Foto etwa 1880)


Jugendherberge und altes Kölzer-Haus

Links das noch unverputzte Haus Kölzer auf dem Marktplatz. Zwischen diesem Haus und der ehemaligen Jugendherberge zieht sich die Bachstraße Richtung Osttor. Oberhalb ist die sogenannte "Klosterburg" zu erkennen - bis 1802 die Wohnung des Priors


Jugendherberge - Gasthaus zum Fährmann

Die Beilsteiner Jugendherberge wurde bis in die 1960er Jahre in diesem Haus auf dem Marktplatz betrieben. An schönen Sommerabenden saßen die Kinder und Jugendlichen oft vor dem Gebäude auf den Treppenabsätzen.


Gruppe vor Jugendherberge




JHB grosse Jugendgruppe




Da wurde es mitunter auch schon mal ein wenig lauter, was die anderen Beilstein Touristen, z.B. im nahegelegenen Gasthaus "Zum Fährmann" nicht wirklich begeistert haben dürfte.


Gute Quelle um 1930

Auf der linken Seite des "Hauses Kölzer" lag das Gasthaus "Zum Fährmann". Heute gehört dieses Gebäude zum Familienbetrieb "Gute Quelle". Hier eine Abbildung dieses Gasthauses auf dem Marktplatz aus den 1930er Jahren. Die beiden Gebäudeteile sind heute zum Teil vom Putz befreit und man hat das Gefache größtenteils wieder freigelegt.


Gute Quelle verputzt
           
Gute Quelle Sukkotdach Detail




Auch der linke Teil des Gebäudekomplexes (Eckgebäude) war seinerzeit noch mit einer Putzschicht belegt. Fachwerkhäuser wurden insbesondere im 19. Jahrhundert aus Brandschutzgründen verputzt. In den letzten Jahrzehnten hat man das in Beilstein vielfach wieder rückgängig gemacht. Ein Beilstein Tourist wäre um das Jahr 1900 im Ort kaum auf ein offensichtiches Fachwerkhaus gestoßen. In dieser Zeit versteckten sich nahezu alle Fachwerkhäuser hinter einer Putzschicht. Etwas sehr Merkürdiges hätte der Beilstein Besucher hingegen um 1900 beim Gebäude der "Guten Quelle" sehr wohl wahrgenommen - ein Teil des Satteldaches war aufklappbar.


Gute Quelle - Sukkotdach
           
Gute Quelle Sukkotdach Detail



Das hatte mit den ehemals jüdischen Besitzern zu tun. Die Ursache hierfür lag im jährlich wiederkehrenden Laubhüttenfest ( jüd. Sukkot- Fest), aber dazu später mehr...


Gute Quelle verputzt Westseite

Das gesamte Gebäudeensemble der "Guten Quelle" war ehemals auch giebelseitig (zur Mosel hin) nahezu vollständig verputzt, ebenso die Fassade zur Bachstrasse hin. Heute ist es der größte zusammenhängende Fachwerkkomplex in Beilstein.


Gasthaus Lipmann verputzt

Auch das Hotel Haus Lipmann war in seiner Schaufassade zum Marktplatz hin in den 1930er Jahren noch mit einer Putzschicht belegt. Mittlerweile ist das sehr schöne Gefache aus dem 18. Jahrhundert wieder freigelegt. Neben den Brandschutzgründen galten Fachwerkbauten lange auch als bäuerlich und ärmlich und man versteckte sie gerne hinter Stuck und Putz. Diese Zeiten sind vorbei, heute steht Fachwerk für die meisten Moselgäste für Romantik, nichtzuletzt für die vermeintlich "gute alte Zeit". Architekturempfinden und Architekturgeschmack unterlagen und unterliegen immer schon dem wechselnden Zeitgeist.



Buergerhaus verputzt

Ob das Beilsteiner Bürgerhaus (bis 1805 Beilsteiner Pfarrkirche) in seiner Schauseite zum Marktplatz hin jemals steinsichtig war, läßt sich schwer beurteilen. Heute ist die dem Marktplatz zugewandte Seite mit einer dünnen Putzschicht überzogen. Die Westfassade (Richtung Mosel) und die Ostfassade (Richtung Zehnthaus) sind jedenfalls steinsichtig. Die 1310 erbaute und im 18. Jahrhundert stark umgebaute Kirche ist (bis auf den Dachstuhl) komplett aus Stein errichtet, Brandschutz als Grund für einen Verputz entfällt somit als Argument. Eine spätere und wahrscheinlich gewollte Nobilitierung des Bauwerkes, die den verwendeten "billigen" Baustoff - gebrochener Schieferstein - versucht zu verbergen, dürfte hingegen eine Erklärung sein. Für eine ursprünglich komplette Steinsichtigkeit der Pfarrkirche spricht, dass die Kirche zur Bauzeit ausschließlich über einen Eingang an der Westseite erschlossen wurde.

Westportal ehem. Pfarrkirche
Moselseitiges Eingangsportal der ehemaligen
Pfarrkirche (heute teilweise vermauert, das
ornamentierte Basaltgewände wurde ausgebrochen)


Der heutige Eingangsbereich vom Marktplatz war ursprünglich der Chorbereich. Unterhalb des Chores erstreckt sich auch heute noch ein Keller. Dieser Keller war vom riesigen Weinkeller, der sich längsseitig unterhalb des kompletten Kirchenschiffes zog durch eine massive Mauer ohne Durchgang abgetrennt. Der große Weinkeller war durch eine Längstonne eingewölbt, der kleine Keller unter dem Chorbereich hingegen durch eine Quertonne.

Dieser kleinere Keller war die Krypta der ehemaligen Pfarrkirche, die auch als Grablege für höher gestellte Personen in Beilstein genutzt wurde. Im christlichen Sterberegister Beilsteins finden sich im 17. und 18. Jahrhundert drei interessante Eintragungen, die auf die Nutzung der Krypta als Grablege verweisen:
1.) 11.11.1680 Damian Hartard Becker. Starb in der Nacht an Schlagfluß. Wurde in der Kirche da begraben, wo vor 22 Jahren R.P. Minersdorf Joh. begraben wurde.
2.) 5.10.1768 Mar. Angela Becker. Tochter des Kellermeisters. 4 Monate alt, wurde in der Krypta der Kirche beigesetzt.
3.) 11.12.1770 Joh. Bapt. Jos. Becker, 1 Jahr alt, Sohn des Kellermeisters, in der Krypta der Kirche beigesetzt.

Im heutigen Eingangsbereich (ursprünglich war das der Chorbereich) befindet sich oberhalb der ehemaligen Krypta heute noch im Boden ein Epitaph (Grabplatte) aus Basalt, mittlerweile ausgetreten und unleserlich. Die Westfassade war bis 1875 (dem Bau des Lipmann'schen Rittersaales) auch die wichtige Schauseite. Vom Moselufer blickte man über den Friedhof (heute Lipmann'sche Terrasse) hinweg auf die Westfassade mit dem ehemals vorhandenen Eingangsportal. Die Westfassade war weitesgehend steinsichtig. Der Friedhof wurde an diesem Ort bis 1790 mit Grabstätten belegt. Ab 1790 fand er seinen neuen Platz nördlich der Klosterkirche.




August von Wille 1883

Wie der Beilsteiner Marktplatz die Künstler und Maler immer wieder inspiriert hat, zeigt nicht zuletzt dieses Gemälde von August von Wille aus dem Jahr 1883. Es zeigt eine Szene mit französischen Soldaten, die es so 1883 seit rund 70 Jahren in Beilstein nicht mehr gegeben haben kann. A. von Wille gibt hier eine Fantasieszene aus der Zeit der französischen Besetzung (1794-1815) wieder und bewegt sich damit künstlerisch im Genre der sogenannten Historienmalerei. Auch verändert er die Bebauung auf dem Marktplatz ein wenig nach seinem Geschmack.


Ehemaliges Kloster und neue Pfarrkirche

Mit dem Bau des Klosters im 17. Jahrhundert schufen die Karmelitermönche auch...


Klostertreppe und Priorwohnung

...diesen Aufgang zum Kloster, die Klostertreppe, die in vielen Filmen schon als beliebte Filmkulisse diente. Blick vom Fuß der Treppe hinauf zum ehemaligen Westflügel des Klosters.(Foto etwa 1900)


Kirche und Kloster von Burg aus gesehen

Die Geschichte der Kirche, des Klosters sowie des Karmeliterordens in Beilstein ist eng verflochten mit den jeweils Mächtigen in Beilstein, aber auch im Deutschen Reich. Vom 30-jährigen Krieg (1618-48) bis zur französischen Besetzung des linken Rheinufers, somit auch Beilsteins (1794-1814) gab es eine sehr wechselvolle Geschichte in unserem Städchen. Als Beilstein 1310 selbsständige Pfarrei wurde und der Herrscher auf Beilstein - Johann II von Braunshorn - im gleichen Jahr die erste Kirche (heute das Bürgerhaus) auf dem Marktplatz erbauen ließ, war der institutionelle Grundstein für einen nahezu 250 Jahre währenden katholischen Glauben hier am Ort gelegt. Die zehn jüdischen Familien, die sich zum gleichen Zeitpunkt in Beilstein niederließen (sie waren Eigentum des deutschen Kaisers Heinrich VII und wurden Johann II von Braunshorn quasi vom Kaiser als Geschenk überlassen) wurden hier zwar als nützliche Geldgeber und Steuerzahler geduldet, ihr jüdischer Glaube aber nicht als gleichrangige Religion akzeptiert.


Heinrich und Juden
Heinrich VII mit einer Gruppe Juden im Jahre 1312, erkenntlich am Judenhut, der allen Juden seit dem Laterankonzil von 1215 durch Papst Innozenz III zur Verächtlichmachung aufgezwungen wurde. ( Miniatur aus dem Codex Balduinensis )


Auch vor Verfolgung und Pogromen konnten sie sich nie sicher fühlen, wie die Pestverfolgungen von 1348/49 bewiesen. Eine Zäsur des Katholizismus gab es in Beilstein im Jahre 1584 als Philipp II von Winneburg von seinem Vater die Herrschaft auf Beilstein übernahm. Dieser Despot war 30 Jahre zuvor zur Augsburger Konfession (dem protestantischen Glauben) übergetreten. Wie zu jener Zeit üblich, mußten all seine Beilsteiner Untertanen ebenfalls und ungefragt ihren Glauben wechseln. Während des 30-jährigen Krieges wurde Stadt und Burg zwischen 1620-1634 von den Spaniern besetzt. Sie verordneten wiederum den katholischen Glauben. 1634 vertrieben schwedische Truppen die katholischen Spanier: Beilstein wurde wieder protestantisch.1637 stirbt der letzte Winneburger Herrscher Wilhelm, ohne der Welt einen männlichen Nachkommen beschert zu haben. Beilstein fällt daher als erledigtes Lehen an Kurtrier zurück. Das Domkapitel in Trier begann schon weit wor dem Abgang der Winneburger die Karten neu zu mischen: Bereits 1616 versprach der Kurfürst und gleichzeitige Erzbischof von Trier Lothar seinen drei Neffen, daß sie einmal die Herrschaft Beilstein erhalten würden. Einer von ihnen - Emmerich von Metternich, praktischerweise schon Domprobst in Trier - veranlaßte 1636 die Gründung des Karmeliterordens in Beilstein. Er selbst bleibt in Trier, seine Brüder Wilhelm und Lothar erhalten 1638 zunächst die Anwartschaft auf die Herrschaft Winneburg-Beilstein. Lothar von Metternich erklärt auftragsgemäß den Beilsteinern auch sofort, daß sie nicht weiter dem protestantischen "Irrglauben" anhängen dürfen. Die Beilsteiner dürften nunmehr zum vierten Male innerhalb von gut 50 Jahren ihren Glauben austauschen. Der neu angesiedelte Karmeliterorden findet zunächst eine Bleibe an der Mosel in einem ehemaligen Burgmannenhaus. (Burgmannen waren Wach- und Wehrdienstleute, die ständig an oder auf einer Burg lebten und genauen Dienstpflichten unterlagen).

Blick auf  Kloster von Süden

Die Unterkunft sollte bis zum Bau eines eigenen Klostergebäudes auf dem Rammerberg wohl ein Provisorium sein. So wurde den Mönchen schon 1636 eine Stiftung von je 2000 Talern von den beiden Brüdern Lothar und Wilhelm von Metternich, nebst Schenkung des Rammerbergs in Aussicht gestellt. Dieses Schenkungsversprechen war wohl der Preis für die Kungelei zwischen dem Trierer Domkapitel bzw. dem Erzbischof und gleichzeitigem weltlichen Kurfürsten auf der einen Seite und den Brüdern von Metternich auf der anderen Seite. Als aber die Metternichs ersteinmal an den Fleischtöpfen saßen und auf dem Rücken der hiesigen Bauern und Winzer ein Leben in Saus und Braus führten, vergaßen sie recht schnell, wem sie ihr "warmes Plätzchen unter Gottes schöner Sonne" eigentlich verdankten. Sie ließen sich unendlich viel Zeit und die Patres schmoren. Nach viel Streitigkeiten und Gezänk wurde 1683 die Schenkung des Rammerbergs rechtswirksam, 1686 die Stiftungsgelder durch Vertrag freigegeben, 1687 die Gründungsurkunde für das Kloster ausgestellt. Am 23. Mai 1686 wurde feierlich der Grundstein für das Kloster gelegt. Weniger feierlich fand sechs Jahre später der Umzug der Mönche ins neue Kloster statt. Am 30.12.1692 zog man still und hastig in das noch nicht ganz fertige neue Klostergebäude um. Wohl aus Angst die marodierenden Franzosenheere, die zuvor den Metternichs ihre schöne Burg zu Klump gehauen hatten, würden sich auch des neuen Klostergebäudes bemächtigen.

Burg und Kloster von Osten


Das taten sie nicht. Weder das Kloster, noch die 1691 im Bau begonnene neue Klosterkirche wurden von den schließlich 1697 abziehenden Soldaten Ludwig XIV angetastet. Es begann die angeblich "glückliche" Zeit für Beilstein. (Glücklich für wen??? Bauern und Winzer wurden weiterhin von ihren Grundherren und mit Gottes Segen ausgebeutet und mißhandelt). Erst die Truppen des revolutionären Frankreichs enteigneten 1794 auf der linken Rheinseite jeglichen fürstlichen und klösterlichen Besitz. Der Spuk der mittelalterlichen Feudalherrschaft hatte ein Ende. Das Kloster wurde von den Franzosen zwischen 1808 und 1813 an verschiedene Privatleute versteigert. Bereits unter der Preußenzeit wurde 1816 der prächtige Südflügel abgebrochen, 1819 der Kreuzgang. Den Ostflügel beließ man als Pfarrhaus. Ostflügel und Kirche sind seit 1948 wieder Karmeliterkloster.


Blick auf  Kloster von Süden

Blick hinauf zum Westflügel des Klosters und zur sogenannten "Klosterburg" der ehemaligen Wohnung des Priors. Der Fotograf hatte sich seinerzeit einen interessanten Standort ausgesucht, den es heute so in Beilstein nicht mehr gibt. Er muß wohl auf den Resten der mittelalterlichen, östlichen Stadtmauer gestanden haben (seit etwa 1970 überbaut). Haus vorne links ist heute notdürftig geflickte Ruine, Baulücke rechts daneben ist heute bebaut. (Foto etwa 1920)


Westfluegel_Kloster_aus_Felsmassiv

Hier kann man sehr gut erkennen, dass der Westflügel / Wohnstätte des Priors auf einem Schiefermassiv errichtet wurde. Nach Westen ( Richtung Mosel) wurde der Flügel, aber auch der Vorplatz der großen Klosterkirche statisch abgesichert durch massives aufgehendes Mauerwerk. Das kann man auch heute noch recht gut nachvollziehen, wenn man vor dem Abbruchgrundstück des ehemaligen Sann'sche Hauses steht (zwischen den beiden Nordtoren). Hier bildet der gewachsene Schieferfels und das aufgehendes Bruchsteinmauerwerk des 17. Jahrhunderts nahezu eine symbiotische Einheit. Im linken unteren Bildteil sind auf diesem Foto sogar noch Fragmente der ehemaligen östlichen Stadtmauer zu erkennen, die sich ehedem quer durch das alte Beilstein zog ( von der Alten Wehrstraße über das Osttor bis zur Burg). Aufnahme ca. 1920



Blick vom Dach des Zehnthauses auf den Kloster Westflügel und seinen felsigen Untergrund. (Aufnahme etwa 1920)



Beilsteiner Anekdote des 18. Jahrhunderts




Esel Darstellung Martin Schongauer
Kupferstich nach Martin Schongauers Bild "Mann und Esel auf dem Wege zur Mühle"



Die folgende Beilsteiner Anekdote wurde mir, als ich 1998 begann über die Beilsteiner Geschichte zu forschen, als eine der ersten Dokumente von einem Nachbarn überlassen.


Große Leibjacht Clemens Wenzeslaus
Große Leibjacht des Fürstbischofs, erbaut in den Jahren 1774-1781



Anekdote

Der die oberste Mühle bewohnende Müller klagte dem Grafen, dass er den weitesten Weg zur Mosel habe, und bat seinen Gebieter, ihm einen Esel anzuschaffen, der imstande wäre, Mehl und Früchte zwischen Beilstein und Ellenz zu transportieren. Der Graf willfahrte dem Müller, kaufte einen Esel. der in Beilstein den gräflichen Beamten beigezählt und deshalb überall mit Respekt behandelt wurde. In der Mühle mit den Mehlsäcken behängen ging der Esel nach der Mosel in die Ponte, und übergesetzt wanderte er nach Ellenz, wo der Bäcker ihm die Last abnahm, mit neuen Fruchtsäcken ihn belud und mit einem Stück Brod gestärkt ihn auf demselben Wege in seine Heimat zurückschickte. An der Mosel angekommen, brauchte der Esel nie lange zu warten, nur ein einziges Mal. Er war wieder mit Mehl beladen von der Mühle nach der Mosel gegangen, musste aber schon an dem damaligen Stadtthor Halt machen, weil eine grosse Menschenmenge den ganzen Platz zwischen dem Thore und der Mosel besetzt hielt. Der Churfürst Clemens Wenzeslaus nämlich war, auf seinem höchst prunkvoll eingerichteten Schiffe die Mosel heruntergekommen und hatte vor Beilstein angelegt, wo neben den Karmelitenpatres die gräflichen Beamten unter Führung des Amtmannes ihre Huldigung darbringen wollte. Der Esel als wenn er seiner hohen Amtsstellung und seiner wichtigen Berufes bewusst gewesen, drängte sich durch die Menschenmenge, und Jeder wich auch achtungsvoll und ängstlich zurück, um nicht an den Mehlsäcken seine festtägliche Kleidung weiss zu machen. So war der Esel unaufgehalten bis dicht an, die Mosel neben dem Amtmann gekommen, der eben seine Anrede an den Churfürsten begonnen hatte. Die Rede aber dauerte gar zu lange, dass selbst dem geduldigen Esel die Geduld ausging. Er scharrte mit den Füssen , fuchtelte mit dem Schwänze und. als das Alles nichts fruchten wollte, begann er aus vollem Halse sein ia, ia hören zu lassen. Diese Unordnung aber gefiel dem Churftürsten schlecht, und mit einer Stimme, die den Redner übertönte, rief er von seinem Schiff aus: "Eines muß ich mir ausbitten, meine Herren, es muß einer nach dem anderen reden, sonst verstehe ich kein Wort".




Die kleine Geschichte ist wohl zu Zeiten des letzten Trierer Kurfürsten vor der französischen Revolution und gleichzeitigem Erzbischofes von Trier Clemens Wenzeslaus (1739-1812) niedergeschrieben worden.


Clemens Wenzeslaus
Clemens Wenzeslaus von Sachsen,
von 1768-1803 Kurfürst
und Erzbischof von Trier



Zwischen dem tatsächlichen Ereignis und der Niederschrift dürfte wohl nur kurze Zeit vergangen sein. Satzstellung, Wortwahl, Rechtschreibung und historische Erwähnungen weisen auf eine Niederschrift im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts hin. Die Geschichte zieht sich also von der Regentschaft Clemens Wenzeslaus (1768-1803) bis hinein in die jüngere Zeit Beilsteins. Selbst in der letzten eigenständigen Beilsteiner Schule, die bis 1971 in Beilstein bestand, wurde diese kleine Anekdotengeschichte auch nach rund 200 Jahren den Beilsteiner Schulkindern immer wieder berichtet und gelehrt. Wie war es möglich, dass sich eine solche, eher unscheinbare Geschichte im Kollektivgedächtnis eines ganzen Ortes über 200 Jahre erhalten konnte? Der Schlüssel lag wohl in der vermeintlichen Unscheinbarkeit dieses Naratives. Die feudalistischen Herrscher des ausgehenden 18. Jahrhunderts (und nicht nur in dieser Zeitepoche) hatten durchaus ein Interesse daran ihre Herrschaft durch eine gewisse Volksnähe zu legitimieren. Die Grenzen waren hier eindeutig abgesteckt. Eine grundsätzliche Infragestellung der Herrschaft bzw. Legitimität des Fürstbischofs hätte sofort ernste Konsequenzen hervorgerufen. Einem Esel wurde gerade noch zugebilligt durch lautes Geschrei die von Gott eingesetzte Herrschaft zu unterminieren. Gewiss kein Zufall, das sich hier ausgerechnet ein "dummer Esel" dieses Verhaltens erdreistete. Als Gedankenspiel möge man sich vorstellen ein Weinbergsarbeiter hätte am Moselufer dem Fürstbischof zugerufen, er möge doch einen Teil seines Besitzes, vielleicht seine Koblenzer Residenz (mit 176 Zimmern) oder seine luxuriösen Moseljacht (mit Baukosten von 40.000 Gulden) veräußern und es den darbenden Moselanern zukommen lassen.



Clemens Wenzeslaus Kurfürstliche Residenz zu Koblenz 1787
Kurfürstliche Residenz zu Koblenz, erbaut 1777-1786



Abgesehen von den drastischen Konsequenzen die der mutige Weinbergsbursche wohl zu tragen gehabt hätte - solcherlei Geschichte hätte sich schwerlich 200 Jahre durch Feudalismus, Preußentum, Kaiserreich, Faschismus und Adenauerära hindurchgezogen. Die Idee vom "gütigen Herrscher" hingegen, seinen Untertanen streng aber wohlwollend zugetan, war 200 Jahre funktional und sollte kritisches und demokratisches Hinterfragen im Keime ersticken.





Literatur- und Medienempfehlungen

Die Große Leibjacht des letzten Trierischen Kurfürsten Clemens Wenzeslaus
in Rheinische Heimatblätter 2/ 1924, Seite 39-42

Höfisches Leben am Mittelrhein unter Clemens Wenzeslaus von Sachsen (1739-1812)
Kurfürst und Erzbischof zu Trier (1768-1803)




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