Beilstein in vergangener Zeit

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Adenauer Gedenktafel
Adenauer und De Gasperi in Beilstein


Seit Mai 2014 prangt an der zum Marktplatz gewandten Fassade des Hotels Haus Lipmann in Beilstein eine bronzene Reliefplatte mit dem Konterfei von Konrad Adenauer und Alcide De Gasperi. Diese Gedenktafel weist auf eine Begebenheit hin, die sich am 22. September 1952 in Beilstein zugetragen hat.

Gegen 13.15 Uhr rollte an diesem Tag der recht umfängliche Tross des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer (CDU) samt seiner Sicherheitsbeamten, Mitarbeiter und seines Staatsgastes dem italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi in das kleine verschlafene Beilstein ein.

Adenauer-Gastwirtschaft zum Faehrmann
Adenauer mit dem Beilsteiner Karmeliter Pater Hilarius
vor dem Gasthaus Zum Fährmann - heute Gute Quelle


Der viertägige Staatsbesuch (genauer Ablauf: hier) De Gasperis in Deutschland war für die junge Bundesrepublik von großer Bedeutung - beendete er doch die frühe Nachkriegsepoche, in der die Bundesrepublik von ausländischen Staatsgästen weitestgehend gemieden wurde. Adenauer konnte sich hier bei De Gasperi durchaus revanchieren. War De Gasperi doch der erste westliche Regierungschef, der Adenauer im Juni 1951 zu einem offiziellen Staatsbesuch einlud. Die beiden ehemaligen faschistischen Achsenmächte konnten somit durch ihre gegenseitigen Staatsbesuche die bis dahin weitestgehend bestehende internationale diplomatische Isolierung überwinden.

Der Ablauf dieses Staatsbesuches wurde wohl genauestens orchestriert und nichts dem Zufall überlassen. Am zweiten Tag besuchte Adenauer mit De Gasperi die Benediktinerabtei Maria Laach und man wohnte am Vormittag gemeinsam dem Stundengebet der Mönche bei. Der Aufenthalt in Maria Laach bot Adenauer im Rahmen des Staatsbesuches wichtige Anknüpfungspunkte. War die Abtei zum einen Stätte eines praktizierten christlichen Lebens und bot einen guten Rahmen um den Aufbau Europas unter christlichem Vorzeichen zu symbolisieren, war sie zum anderen auch der Ort, wo Adenauer - seiner inneren Überzeugung nach dem NS- Regime ablehnend gegenüberstehend - sich während des Faschismus zeitweise vor den Nazis in Sicherheit gebracht hatte.

Simone Derix beschreibt die Bedeutung des Ortes für den Ablauf des Tages in ihrem Buch mit den treffenden Sätzen: "In Maria Laach konnte sich Adenauer nicht nur als Vertreter des christlichen Abendlandes und damit als Europäer darstellen, sondern zugleich als Opfer des Nationalsozialismus und gläubiger Christ. Die Inszenierung der gemeinsamen abendländischen Fundamente beschränkte sich nicht nur auf den christlichen Aspekt. Im Anschluss an den Abteibesuch traten die Staatsmänner eine Reise ins romantisierte Mittelalter an, verkörpert durch das Moselstädtchen Beilstein." (Quelle: Simone Derix, Bebilderte Politik: Staatsbesuche in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1990, Verlag Vandenhoeck& Ruprecht, o.O. 2009, Seite 184 ff)

Auch das Mittelalter mit seiner ehedem christlichen Glaubenseinheit galt nach Adenauers Geschmack als Vorbild bzw. Referenzpunkt für das neu zu schaffende, geeinte Europa unter christlichem Vorzeichen. Hier stellte Beilstein - in seinem mittelalterlichen Ambiente - einen recht gelungenen Rahmen für das gemeinsame Mittagessen dar.


Foto Adenauer – De Gasperi – Marktplatz
De Gasperi und Bundeskanzler Adenauer vor
dem Zehnthaus auf dem Beilsteiner Marktplatz
           
Adenauer während eines Rundfunkinterviews vor dem Beilsteiner Bürgerhaus
Adenauer während eines Rundfunkinterviews
vor dem Beilsteiner Bürgerhaus


Ein weiterer kluger Schachzug war sicherlich die Auswahl der Örtlichkeit durch das Bundeskanzleramt - die "Altdeutsche Gaststätte" Haus Lipmann auf dem Beilsteiner Marktplatz im Besitz von Wolf und Hedwig Lipmann.

Hotel Lipmann
Die Altdeutsche Gaststätte Lipmann um 1950


Wolf Lipmann, aus einer ursprünglich jüdischen Familie stammend, hat die Nazizeit als sogenannter "Halbjude" nur mit viel Glück überlebt. Die Auswahl der Lipmann´schen Gastwirtschaft als einem Gasthaus mit jüdischer Tradition und Geschichte durch die Leitung des Bundeskanzleramtes war im Kontext des ganzen Staatsbesuches ein weiterer Mosaikstein und wohl kaum zufällig getroffen worden. Konnte man somit die "Aussöhnung" Deutschlands mit seinen wenigen überlebenden jüdischen Bürgern dem internationalen Publikum vermeintlich recht überzeugend darstellen.

Was den Ablauf dieses Staatsbesuches in Beilstein im Lichte heutiger historischer Kenntnis doch in einem nicht so ganz freundlichen Licht erscheinen lässt, sind die genauen Umstände und vor allem die Biografien einzelner beteiligter Personen. Wir wissen nicht, was die Herren zum Mittagessen für einen "Möselchen" (Zitat Adenauer) getrunken haben, Vielleicht war es ein Jahrgang 1944? In diesem Jahr hätte der Besitzer Wolf Lipmann einen hohen Staatsbesuch kaum bedienen können. Er war als sogenannter "Halbjude" nach den Nürnberger Rassegesetzen vom September 1935 vom gesellschaftlichen Leben in Deutschland nahezu ausgeschlossen und spätestens ab 1942 ständig mit Deportation und dem Tode bedroht. Auch für seine Frau Hedwig hätte eine Heirat mit Wolf Lipmann vor dem Mai 1945 den damals geltenden absurden juristischen Straftatbestand der "Rassenschande" erfüllt und wäre gerade zum Ende des Krieges nicht selten mit dem Todesurteil geahndet worden.

Was waren die Grundlagen für diese Gesetze?

Im September 1935 wurden auf dem Nürnberger Parteitag der NSDAP die sogenannten Rassegesetze der Nazis verkündet. Sie teilten in einer kruden Manier die Bevölkerung Deutschlands in "arische" und "nichtarische" Teile ein. Der Grad der Abstammung führte zur Einteilung in Kategorien wie "Volljude, Halbjude, Vierteljude" etc.

Nürnberger Rassegesetze


Solche rassistischen Inhalte und andere Repressionsmaßnahmen wurden zumeist als "Führerbefehl" ausgegeben oder auf den Nürnberger Parteitagen der NSDAP verkündet. Um diese juristisch umsetzen zu können, wurden sie von Beamten, zumeist aus dem Reichsinnenministerium in juristische Gesetzestexte gegossen und mit Erläuterungs-Kommentaren versehen. Die Nürnberger Rassegesetze wurden insbesondere von einem Karrierejuristen kommentiert, d.h. justiziabel gemacht, der auch schon vor 1933 im preußischen Innenministerium tätig war: Hans Maria Globke (1898-1973).

Kommentar Nürnberger Rassegesetze


Globke war ein junger Jurist, der unter den Nazis im Reichsinnenministerium schnell Karriere machte. Das Mitglied der katholischen Zentrumspartei (seit 1922) musste den Antisemitismus aber nicht erst im Januar 1933 aus Karrieregründen übernehmen, er war ganz offensichtlich auch vor 1933 schon ein Judenhasser. Im November 1932 verfasste er im preußischen Innenministerium eine Verordnung bzw. Runderlass, die es Juden unmöglich machen sollte ihre jüdische Herkunft durch eine Änderung ihres Familiennamens "zu verschleiern". Globke blieb sich also treu unter seinem neuen NSDAP-Chef Reichsinnenminister Frick. (Frick war bis 1943 Innenminister und wurde 1946 nach Verurteilung durch das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal hingerichtet.)


Frick, Globke, Hitler
Reichsinnenminister Wilhelm Frick 2. Von links,
Hans M. Globke 3. Von links, Reichskanzler Adolf Hitler 5. von links.
Aufnahme : September 1941


Nachdem Globke 1938 wesentlich auch das "Gesetz zur Änderung der Familiennamen und Vornamen" mitformuliert hatte ( welches u.a. Juden zwangsweise den zweiten Vornamen Israel bzw. Sara aufzwang), bekam er vom NSDAP Innenminister Frick 1938 ein "vorzügliches" Zeugnis ausgestellt. Hier heißt es u.a.: "Oberregierungsrat Globke gehört unzweifelhaft zu den befähigsten und tüchtigsten Beamten meines Ministeriums..."Ein Zeugnis, welches Globke in späterer Zeit gerne vergessen gemacht hätte.
Nach 1945 wurde Globke von den Alliierten zeitweise als Nummer 101 auf die Liste der meistgesuchten Kriegsverbrecher gesetzt, konnte dann aber rasch in der sich gründenden Bundesrepublik gesellschaftlich und politisch Fuß fassen. Spätestens ab 1949 galt er als enger Vertrauter und Berater von Konrad Adenauer, arbeitete zunächst als Ministerialdirigent (einige Monate später befördert zum Ministerialdirektor) im Bundeskanzleramt, dessen Chef im Range eines Staatssekretärs er schließlich auch 1953 wurde. Globke galt in den darauf folgenden 10 Jahren als "graue Eminenz" Adenauers sowohl in der Bundesregierung, als auch in der CDU.

Adenauer und Globke
Adenauer und Globke in vertrautem Gespräch


Bis zum Schluss hielt Adenauer seine schützende Hand über seinen Staatssekretär. Erst mit dem Erreichen des Pensionsalters im Oktober 1963 verließ Globke das Bundeskanzleramt. Am 15. Oktober 1963 wurde ihm auf Vorschlag Konrad Adenauers durch den damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke (CDU / bis Mai 45 NSDAP-Mitglied) das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Was hat das alles nun mit dem 22. September 1952 in Beilstein zu tun? Aufschlussreich sind hier die Tagebuchaufzeichnungen von Konrad Adenauer an diesem Tag ( Quelle: Konrad Adenauer Stiftung ) Adenauer notiert hier als ersten Termin an diesem Tag: 9.15 Uhr MD Globke und MD Blankenhorn ( Herbert Blankenhorn, seit 1938 NSDAP Mitglied, vor 1945 Referatsleiter unter NSDAP Außenminister Ribbentrop ). Das heißt Adenauer hat sich zu Beginn des Tages mit seinem engen Vertrauten Ministerialdirektor Globke über den Ablauf des Tagesprogrammes abgestimmt, dazu mit Sicherheit auch über die Bedeutung bzw. mögliche Verhaltensmaßregeln in Bezug auf das Zusammentreffen mit dem Gastwirt Wolf Lipmann in Beilstein. Der Bundeskanzler hat sich hier an diesem Morgen des 22. September als Berater auf seinen engsten Vertrauten Globke gestützt, der seine "Qualifikation" im Umgang mit jüdischen Bürgern in den Jahren 1933-45 als williger Schreibtischtäter unter den Nazis hinreichend bewiesen hatte. Ob Globke selbst "der im Bundeskanzleramt auch mit der Organisation von Staatsbesuchen betraut war" als Mitarbeiter des Amtes an diesem Tag in Beilstein war, konnte ich leider nicht recherchieren, halte dieses wenn gleich doch für hochwahrscheinlich. Ob all dieses dem Gastwirt Wolf Lipmann im Herbst 1952 klar war, als er und seine Frau Hedi Herrn Adenauer und vielleicht sogar Hans Maria Globke im altertümlichen Rittersaal des Lipmann´schen Gasthauses das ein oder andere Glas guten Moselweines kredenzten, kann man heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Die Frage bleibt im Raume stehen: Muss man dies alles nicht als unglaublichen Affront gegenüber dem Gastwirt Wolf Lipmann sehen, einem Menschen, der beinahe sein Leben verloren hätte aufgrund eben dieser rassistischen und antijüdischen Gesetze?


Altertümlicher Saal im Haus Lipmann Tisch 1
Tischordnung-1

Tisch 2
Tischordnung-2
"Rittersaal" im Haus Lipmann Tischordnung
vom 22.9.1952


Die Auseinandersetzung um die Bedeutung des Nazi-Juristen Globke als Leiter des Bundeskanzleramtes (von 1953-63) unter Adenauer hat in den ersten Jahren der Bundesrepublik breiten Raum eingenommen. Gilt Globke doch bis heute als schlimmes und unrühmliches Beispiel für die zahlreiche Übernahme von Altnazis und Schreibtischtätern in Politik, Staatsdienst und Wirtschaft der jungen Bundesrepublik unter ihrem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer. Mit etwas mehr politischem Einfühlungsvermögen (und historischer Recherche) hätte die 2014 von Vertretern der Europäischen Volkpartei und der hiesigen CDU stattgefundene feierliche Anbringung dieser Bronzetafel vielleicht ein wenig selbstkritischer ausfallen können.


Einweihung der Gedenktafel
Quelle: www.blick-aktuell.de/Cochem/


Für eine weit würdigere Anbringung einer Gedenktafel (mein Vorschlag hier: Einen "Stolperstein" des Kölner Künstlers Gunter Demnig - siehe hierzu: www.stolpersteine.eu ) müsste man sich in Beilstein gar nicht so weit vom vorgestellten Standort weg bewegen. Gerade mal fünf Meter entfernt hat im rechts daneben liegenden Nachbarhaus bis zum Sommer 1939 das jüdische Beilsteiner Ehepaar Koppel gewohnt und einen kleinen Lebensmittelladen betrieben. Diesen Laden haben sie nach der Pogromnacht im November 1938 aufgeben müssen. Ermordet wurden sie schließlich im Sommer 1942 in einem deutschen Konzentrationslager. Ihre Stigmatisierung, Entrechtung, Deportation und schlussendlich Ermordung fand ihren Anfang in der Ausformulierung der Nürnberger Rassegesetze durch Männer wie Hans M. Globke.


Laden Familie Koppel
Lebensmittelladen der Familie Koppel um 1920


Literatur- und Medienempfehlung zum Thema:


youtube:   Der Mann hinter Adenauer - Hans Globke

youtube:   Hitlers Eliten nach 1945 Juristen - Freispruch in eigener Sache

www.mdr.de/zeitreise/der-fall-globke100.html

www.freitag.de/autoren/der-freitag/eichmann-globke-adenauer

www.konrad-adenauer.de/stichworte/europapolitik/adenauer-und-alcide-de-gasperi

www.fritz-bauer-archiv.de/index.php/genocidium/der-fall-globke

Otto Köhler: Der deutsche Staatssekretär, Tageszeitung jw, 13.2.2014

Zeitungsartikel RZ vom 23.9.1952



Jürgen Bevers: Der Mann hinter Adenauer. Hans Globkes Aufstieg vom NS Juristen zur Grauen Eminenz der Bonner Republik, Verlag Christoph Links, Berlin 2009

Erik Lommatzsch: Hans Globke (1898-1973): Beamter im Dritten Reich und Staatssekretär Adenauers. Camus, Frankfurt/ Main 2009

Simone Derix: Bebilderte Politik: Staatsbesuche in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1990, Vandenhoeck& Ruprecht, Göttingen 2009



Walter Henkel
Walter Henkels


Am 4. September 1981 machte der Gemeinderat Beilsteins den Bonner Journalisten und Buchautor Walter Henkels zum Ehrenbürger Beilsteins. Er war der erste und bis heute einzige Mensch, dem dieser Ehrentitel in unserem Ort verliehen wurde. Um dieses Geschehen würdigen, bzw. historisch einordnen zu können, lohnt es sich diese schillernde Persönlichkeit ein wenig vorzustellen:
Walter Henkels wurde 1906 in Solingen in einem sozialdemokratischen Elternhaus geboren. Ab 1931 arbeitete er als Verwaltungsbeamter in seiner Heimatstadt. Von 1936-39 war er tätig in der Presseabteilung des Landesverkehrsverbandes Rheinland, außerdem als freiberuflicher Reiseschriftsteller. 1939 mit Ausbruch des Krieges wurde Henkels als Mitglied der Waffen-SS in eine Propagandakompanie eingezogen. Die sechs Kriegsjahre verbrachte er dann als Kriegsberichterstatter der Luftwaffe in einer Propagandakompanie.

PK im Einsatz
Angehörige der Propaganda Kompanie
bei Dreharbeiten im besetzten Frankreich
für den Film Sieg im Westen von 1940/41




Seit August 1938 stellte die Wehrmacht Sondereinheiten / Propagandakompanien auf, die das Kriegsgeschehen im Sinne der Nazis dokumentieren sollten und sich auch der psychologischen Kriegsführung annehmen sollten. Die deutsche Bevölkerung, verbündete Staaten, aber auch Feindesstaaten sollten durch gezielte Desinformation beeinflusst werden. Im zweiten Weltkrieg wurden sie zu einer eigenen Truppengattung der Wehrmacht und der Waffen-SS. Ideologisch gefestigte und fanatische Fotografen, Kameraleute, Maler und Journalisten arbeiteten in dieser speziellen "Waffengattung", die zu Spitzenzeiten, 1943 in Kompaniestärke 15.000 Mann umfasste. Diese Kriegsberichterstatter waren als Autoren u.a. mit der Fertigung solcher Pamphlete wie den Kriegsbüchern der deutschen Jugend betraut, einem unsäglichen Heftchen, welches im Auftrage des Jugendführers des Deutschen Reiches Kindern und Jugendlichen ab Beginn des Weltkrieges 1939 den Krieg und alles Militärische schmackhaft machen sollte. Natürlich sollte auch rechtzeitig der benötigte Nachschub ideologisch vorbereitet werden. Henkels, als Reiseschriftsteller geschult und in der Lage Texte spannend und abenteuerlich zu formulieren, enttäusche seine Auftraggeber nicht.



Vichy Deckblatt
           
Vichy 2. Seite


Der Band 140 aus dem Jahr 1941: 38 Mann stürmen Vichy - komplett verfasst von Walter Henkels - verharmlost den Frankreichfeldzug, sprich den Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Frankreich im Sommer 1940 als eine Art Geländespiel mit militärischen Mitteln. So formuliert er: " ...Aber da brüllt auch schon unser Leutnant: Feuer frei. Und dann funken wir unseren Feuersegen hinüber. Tacktacktacktack keckern die braven Kanonen, auf die so viel Verlass ist und deren Schießen einem ungeheure Sicherheit verleiht; immerzu tacktacktacktack. Wie ein gewaltiges Feuerwerk prasselt die Wucht unseres zusammengefassten Feuers denen drüben entgegen. In das friedliche Tal des Allier ist der Teufel gefahren. Tod und Verderben bringt er. Da - in Kähnen versuchen sie oben über den Fluß zu entkommen. Drauf! Drauf! Die Rohre drehen sich: Tacktacktacktack (...) Drüben flüchten sie schon in Scharen. Nur fort aus dem Feuerbereich der Deutschen!"

Neben dem Verharmlosen dieses blutigen Gemetzels versäumt Henkels es auch nicht seinen jungen Lesern das rechte antisemitische bzw. rassistische Weltbild unterschwellig mit auf den Weg zu geben. Die Ziele der "braven deutschen Kanonen" beschreibt er im Band 140 u.a. mit den Worten: " Blitzartig erinnerte ich mich des Kinos, wo ich einmal einen Tonfilm über Zulukaffern oder ähnliche Zeitgenossen sah (...) Ich reiße die Knarre hoch. Aber da erscheint eine Negervisage aus den Holunderblüten. (...) Verschlagenheit und Hintergründigkeit lauern aus ihren Augen. Begabt sind sie in der Kunst sich zu verstellen." Bei Henkels euphorischer Beschreibung über die Einnahme der Stadt Vichy durch die Deutschen stellt er im Band 140 auch noch einmal eindeutig klar, wer hier ab sofort nichts mehr zu suchen hat. Er fabuliert: " Wir rasen durch das Kurviertel, Luxus und Komfort an allen Enden, unter jeder Arkade, in jedem Pavillon und um jede Fontäne. Aber nun lustwandeln sie nicht hier, die Juden..."

Es gibt zahlreiche Gründe warum sich das Nazireich zwölf Jahre halten konnte. Einer der wichtigsten Gründe war das ausgeklügelte und jeden Bereich des Lebens umfassende Propagandasystem des Deutschen Faschismus. Besonders perfide war hier der Umgang mit Kindern und Jugendlichen, die sich der Propaganda kaum entziehen konnten und bsw. einem Pamphlet wie der Kriegsbücherei der deutschen Jugend ausgeliefert waren. Ein Autor wie Walter Henkels, der bei der Abfassung des Bandes 140 bereits ein erwachsener Mann mit 35 Jahren war (sich also nicht mit seinem jugendlichen Alter für seine Taten entschuldigen konnte), musste wissen, welche Verantwortung er hier trug und was er anrichtete.

Dass zahlreiche Angehörige der Propagandakompanien nach dem Krieg in der Bundesrepublik wieder journalistisch tätig wurden und ihre Vergangenheit problemlos abstreifen konnten ist ein Stück bundesrepublikanischer Geschichte. (Werner Höfer z.B. musste aus diesem Grund den Internationalen Frühschoppen 1987 aufgeben). Walter Henkels musste sich nach dem Krieg wohl nie rechtfertigen. Recht schnell konnte er seine journalistische Karriere fortsetzen und wurde zum Lieblingsjournalisten Adenauers, an dessen exklusiven "Tee-Runden" er regelmäßig teilnahm (Eine Runde handverlesener, CDU naher und konservativer Journalisten). Insgesamt publizierte er 35 Bücher über den Bonner Politikbetrieb und heimste neben dem Bundesverdienstkreuz (1984) noch einen Haufen weiterer Ehrungen und Preise ein.

Er starb 1987 früh genug, um sich einer kritischeren Betrachtung über das Wirken von Journalisten in der NS-Zeit, wie sie seit den 90er Jahren in Deutschland geführt wurde, zu entziehen. Dieser kritische Diskurs hatte Beilstein 1981 nun wirklich noch nicht erreicht. Was den Beilsteiner Gemeinderat am 4. September 1981 bewog einem so umstrittenen Bonner Journalisten mit dieser Vergangenheit zum Ehrenbürger zu machen, kann heute rund 40 Jahre später nur gemutmaßt werden. Henkels war nie Bürger von Beilstein. Es ist auch nicht bekannt womit er sich um Beilstein in besonderer Weise verdient gemacht hätte.

Er war lediglich häufiger Gast seines engen Freundes des langjährigen Beilsteiner Bürgermeisters Bauer. Vom seinerzeitigen Bürgermeister ging auch die Initiative aus Henkels die Ehrenbürgerschaft angedeihen zu lassen. Die beiden kannten sich aus gemeinsamen Kriegszeiten, wenn auch Henkels fast 10 Jahre älter war. Von den 1950er Jahren bis in die 198oer Jahre hat es auf Einladung des Bürgermeisters mehr oder weniger regelmäßig Treffen von Angehörigen des "PZ. ART. Regiments 92 20. Panzer Division" in Beilstein gegeben. Vielleicht ist auch in diesem Rahmen die Idee der Ehrenbürgerschaft für das Waffen SS Mitglied Henkels entstanden. Eine bronzene Gedenkplatte, die dieser Panzerdivision huldigt, steht übrigens heute noch an der Nordseite der Klosterkirche.




Literatur- und Medienempfehlung zum Thema:


Jugend Medien Schutz-Report, Jahrgang 2011, Heft 5, Jörg Weigand, Vom arktischen Winter zur Bonner Republik.

Walter Henkels - Kriegsberichterstatter der Waffen- SS und Bonner Hofchronist

Hitlers Eliten nach 1945 Journalisten - Diener der Macht

Walter Henkels, 38 Mann stürmen Vichy, in Kriegsbücherei der deutschen Jugend Heft 140, Berlin September 1942

Peter Köpf, Schreiben nach jeder Richtung. Goebbels-Propagandisten in der westdeutschen Nachkriegspresse, Berlin 1995

Daniel Uzil: Stellenwert und Funktion der Propagandatruppen im NS-Staat

Zu den Taten der Waffen-SS in Frankreich die Filmdokumentation: Eine Blutspur durch Frankreich





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