Beilstein in vergangener Zeit

1 4  5 6  >



Grabfund Dörfer

In diesem Weinberg fand 1873 der Beilsteiner Johann Wagner bei Weinbergsarbeiten in 4 Fuß Tiefe ein Skelett - der abgetrennte Kopf zwischen den Füßen ruhend. Diese - auch für Beilsteiner Verhältnisse eher unübliche Bestattungsmethode - ließ den Fund schnell als die Überreste des 109 Jahre zuvor in Beilstein enthaupteten Räubers Johann Dörfer erkennen. Dörfer war in unserer Gegend neben dem bekannteren Räuberhauptmann Schinderhannes ein Bandit, der in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts sein Unwesen trieb. Die zersplitterten Herrschafts - und Rechtsverhältnisse, die bis 1794 oftmals an Mosel und im Hunsrück herrschten, machten es Räuberbanden leicht sich hier dem Zugriff der Obrigkeit zu entziehen. Die Häscher des Blankenrather Gerichts (welches damals der Beilsteiner Herrschaft unterstand) "überredeten" Dörfers Geliebte ihm ein Schlafmittel zu verabreichen. Somit wurde der Räuber nach Beilstein in den Gefängnisturm überstellt und 1764 in Beilstein mit dem Schwert enthauptet. Hinrichtungsstätte war etwa dort, wo sich heute der Schiffsanlegeplatz befindet. Johann Wagner pflanzte übrigens 1873 seinem unerwarteten Leichenfund kurzerhand einen neuen Weinstock auf die Brust und konnte sich bereits im Jahre 1877 über herzhafte Trauben freuen. Seit dieser Zeit nennen die Beilsteiner diesen Weinberg "Im Dörfer".



Zollhaus

Blick von süd-westlicher Richtung auf das ehemalige Zollhaus aus dem 17. Jahrhundert. Im Hintergrund: Die drei Häuser stehen auf den Fundamenten der Westseite der mittelalterlichen Stadtmauer. Haus ganz rechts ist heute das Wirtshaus "Alte Stadtmauer". (Foto etwa 1890)



Menschenmenge vor Zollhaus

Rund zwanzig Jahre später fand sich genau an dieser Stelle vor dem Zollhaus für dieses Foto ein Großteil der männlichen Bevölkerung Beilsteins und etliche Kinder zusammen. Keine einzige Frau ist auf dem Bild zu sehen. Waren sie es etwa nicht wert abgelichtet zu werden? Möglicherweise waren diese aber auch mit den Vorbereitungen des sonntäglichen Essens beschäftigt und wurden deswegen "übergangen". Das Foto dürfte an einem Sonn- oder Feiertag entstanden sein. Bei der Kleidung der Abgebildeten handelt es sich offensichtlich um die "bessere Sonntagskleidung". Die Person ganz links, mit Mütze und Pfeife war der damalige Beilsteiner Fährmann Matthias Ostermann ( 1853 -1935). Das kann man mit Bestimmtheit sagen, weil man ihn auch auf dem nachkolorierten Foto der neuen Fähre aus dem Jahre 1908 erkennen kann (hier auf Seite 4, weiter unten zu finden).



Zollhaus vor 1910

In etwa zum gleichen Zeitpunkt entstand diese Farbaufnahme vom Zollhaus und seinen Nachbargebäuden. Im Jahre 1903 erfand Adolf Miethe (1862-1927) ein Verfahren zur Herstellung einfacher Farbaufnahmen. Seine Dreifarbenfotografie nach der Natur konnte durch Verwendung dreier Farbfilter unbewegliche Objekte in Farbe darstellen. Das aufwändige und unnatürliche Nachkollorieren von schwarz-weiß-Fotos zur Simmulation von Mehrfarbigkeit in der Fotografie verlor somit an Bedeutung. (Aufnahme: zwischen 1903 und etwa 1910 erstellt)



Zollhaus 1930er

Gut zwanzig Jahre später (Mitte der 1930er Jahre) steht hier vor dem Zollhaus ein einachsiger Karren - Jahrhunderte lang das wichtigste Transportgerät der Moselaner. In zwei Fenstern hängen Hemden zum Auslüften. Gewaschen wurde die Kleidung vor knapp hundert Jahren sehr viel seltener als wir es heute kennen. Einfaches Lüften musste hier mitunter Wochen lang genügen. Von den vier Häusern rechts des Zollhauses wurden die beiden hinteren schon über den Baugrund der ehemaligen Stadtmauer moselseitig verlängert. Die beiden vorderen Gebäude standen hinter der Stadtmauer. Die vorgelagerten Anbauten bzw. Terrassen nutzten an dieser Stelle den Baugrund der niedergelegten westlichen Stadtmauer. Das hellverputzte Gebäude besitzt eine abgemauerte Mistkaule. Hierin entleerte man Mist, Gülle, Essensreste etc. Bis in die 1950er Jahre besaß nahezu jedes Beilsteiner Anwesen solche Mistkaulen.



Zollhaus 1954

Nocheinmal zwanzig Jahre später zeigt sich das Gebäudeensemble an der Mosel im Jahre 1954 in dieser Art. Das Zollhaus besitzt zwischenzeitlich giebelseitig eine Toreinfahrt. Das hellverputze Haus, rechts vom Zollhaus gelegen ist von besonderem Interesse. Es handelt sich um einen Neubau, der sich wesentlich vom Vorgängerbau (dargestellt auf den beiden Fotos aus den 1910er und 1930er Jahren) unterscheidet und erst kurz nach dem 2. Weltkrieg hier errichtet wurde. Dieses Gebäude wiederum wurde 2015 komplett abgerissen und durch einen historisierenden Baukörper ersetzt, der sich in seiner äußeren Erscheinung als Haus des 18. Jahrhunderts gibt. Dieser Erweiterungsbau des Hotels "Alte Stadtmauer" komplettiert die moselseitige Häuserfront an dieser Stelle kongenial, zeigt aber auch: Nicht alles, was in Beilstein alt ausschaut ist auch wirklich alt! Ein zweiter Blick lohnt sich allemal.



Osttor

Ehemaliges Osttor der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Bis in die 1950er Jahre eingeschossige Überbauung (heute dreigeschossig).



Blick durch Osttor

Die Bebauung hinter dem Stadttor - die heutige Bachstraße - stammt aus einer Zeit ab Mitte des 17. Jahrhunderts. Die östliche Stadterweiterung Beilsteins und die damit einhergehende Aufgabe der Stadtmauer in ihrer fortifikatorischen Funktion hatte zwei Ursachen: Zum einen die Großbaustellen Kloster und Klosterkirche (1680er und 1690er Jahre), die nur außerhalb der mittelalterlichen Stadtbefestigung einen geeigneten Bauplatz fanden. Zum anderen schritt die militärtechnische Entwicklung voran. Es wurden Kanonen entwickelt, denen eine mittelalterliche Stadtmauer nicht standhalten konnte. Schon die Ereignisse des 30 jährigen Krieges mit der Besetzung spanischer und schwedischer Truppen zeigte den Beilsteinern wie sinnlos ihre Stadtmauer geworden war.



Obere Bachstrasse-Hoehe Personalh Lipmann

Weitere rund fünfzig Meter die Bachstrasse aufwärts hat man um das Jahr 1920 diese Fotografie aufgenommen. Im Hintergrund ist eine Gruppe von Schrötern erkennbar, die ein Fuderfass aus einem Weinkeller schrötern ( bedeutet mit Hebelwerkzeugen heraus transportieren). Heute befindet sich in diesem Keller die Vinothek des Weingues Otto Görgen



Bachstrasse 1954

Wir schreiten an diesem Weinkeller vorüber und auch in der Zeit etwa 30 Jahre nach vorne. Zwischen dem Weinkeller der heutigen Vinothek und dem Fachwerkhaus auf der rechten Seite der Straße ( heute Ferienhaus "Haus kein Moselblick") besteht im Jahre 1954 noch eine Baulücke mit einem kleinen Gärtchen und einem recht hohen Baum darin. Das dürfte zu dieser Zeit im Beilsteiner Ortskern der einzige Baum gewesen sein. Aber schon zwei, drei Jahre später wurde diese Baulücke mit einem Neubau geschlossen. Der Baum mochte der Besitzerfamilie Boos wahrscheinlich einen ganzen Winter lang eine warme Wohnstube bereitet haben.


3 Häuser über dem Osttor

Das Ost-Stadttor diesmal von der anderen Seite - der Ostseite - aus gesehen. Alle drei Häuser, die auf dem Osttor bzw. auf der Stadtmauer stehen sind heute dem Neubau gewichen. Die beiden rechten Häuser wurden um die Jahrhundertwende von den Brüdern Jobelius bewohnt. Der eine Winzer, der andere Küfer. (Foto um 1900)


küfer

Küfer ist eine spezielle Variante des Fassbinders: Fertigung und Reperatur von Weinfässern, Pflege und Unterhaltung der gelegten Fässer und ihres Inhaltes.


Bebauung Osttor von oben gesehen

Die gleiche Häuserreihe diesmal aus einer anderen Perspektive fotografiert (von der Stadtmauer oberhalb der Schloßstraße). Die drei hinteren Häuser sind dem Neubau der 1960er Jahre gewichen. Das vordere Haus besteht nur noch in der Außenfassade zur Schloßstraße hin und in Teilen des Satteldaches. (Foto um 1900)

An ihrem Ende macht die Bachstrasse zwangsläufig einen Rechtsknick. Der Verlauf wird an jener Stelle begrenzt durch ein merkwürdiges, kaum erklärbares Bauwerk. Eine aufgehende Wand aus Schieferbruchsteinen, mittig ein gemauerten Rundbogen, der heute von einer kleinen verzinkten Metalltüre verschlossen ist. Bekrönt wird das Ganze durch eine niedrige, hässlich verputze Mauer und einem abschließend modern verzinkten Eisengeländer.


Brücke am Ende Bachstrasse

Was hier vor einigen Jahren in wohl absolutem Unverständnis über die Historie des Bauwerkes verunstaltet wurde, ist die ehemalige Brücke über den dort verlaufenden Strimmiger Bach, den sogenannten Vorderbach ( daher der Name Bachstrasse). Was das Baujahr angeht - kann ich nur eine Vermutung anstellen. Mit der Großbaustelle Kirche und Kloster ab 1687 wurde es wichtig den Bauplatz auch von Osten zu erschließen. Den Bau der Klosterstrasse in dieser Zeit halte ich für wahrscheinlich und dieser neue Weg mußte den Vorderbach ja überqueren. Somit würde ich den Bau der Brücke an dieser Stelle mit großer Wahrscheinlichkeit auf die 1680er Jahre datieren.Der Bach fließt auch heute noch unter der Brücke hindurch. Bei starken Regenfällen ist das Rauschen hinter der eisernen Türe eindeutig zu vernehmen.


Offener Bach an der Brücke

Den Einbau der Metalltüre und das Zumauern des übrigen Rundbogens hat man zu Beginn der 1960er Jahre vorgenommen. Bis zu diesem Zeitpunkt verlief der Bach über eine Länge von etwa sechs Metern offen hinter einem eisernen Geländer. Er diente hier als Viehtränke und in den Sommermonaten als eine Art "vormodernes Spaßbad" für die Beilsteiner Kinder. Das Foto (Aufnahme etwa 1920) zeigt am Abschluß des Metallgeländers einige hölzerne Schöpfgefäße. Hier an der untersten Treppenstufe wurde der Bachlauf dann unter das Niveau des Straßenpflasters geführt. Richtung Mosel fließt der Bach seit den 1880er Jahren unterhalb der Straße in einer unterirdischen Röhre.....

Vorderbach in Mosel

...und mündet schließlich in Form eines stabil gemauerten Rundbogens in der Mosel: Dieses Foto von etwa 1890 zeigt, dass der Bach in der Regel oberhalb des Wasserspiegels in die Mosel eingeleitet wurde. Die mutigeren Beilsteiner Kinder haben sich immer mal wieder den Spaß gegönnt den unterirdischen Bach von der Brücke aus ( dort gab es bis Anfang der 1960er Jahre einen offenen Einstieg) bis zum Moselufer hin zu durchlaufen.

Vorderbach in Mosel

Dieses Foto von 1954 zeigt den Zulauf des Vorderbaches bei Moselniedrigwasser. In diesem Sommer 1954 hat es an dieser Stelle einen Art Strand gegeben. Nach dem Bau der Staustufen, zehn Jahre später, 1964 ist dieser Moselstrand und auch die Zuführung des Vorderbaches in die Mosel permanent unter dem Wasserspiegel verschwunden. Durch den Bau der Staustufen gibt es heutzutage kein Niedrigwasser mehr und auch recht selten Hochwasserpegel. Auf der anderen Seite der Brücke nach Osten hin ist der Bach heute ebenfalls überbaut. In diesem Areal, genannt "auf'm Teich" hat es um 1900 entscheidende bauliche Veränderungen gegeben. Die unterste Mühle wurde niedergelegt und an dieser Stelle im Jahre 1903 das Gebäude "Burgschenke" errichtet. 1932 wurde schließlich der Neubau der Beilsteiner Schule samt des vorgelagerten Schulhofes direkt an der Ostseite der Brücke fertig gestellt. Man hat den Bach also unter das Bodenniveau gelegt. Heute wird er erst wieder sichtbar auf der rechten Seite der L 200 Richtung Hunsrück, kurz vor dem Ortsausgangsschild. Den Verlauf des seinerzeit noch weitestgehend offen verlaufenden Vorderbaches (hier von mir blau markiert) kann man auf diesem Katasterplan von 1869 recht gut nachvollziehen.

Katasterplan Brücke
Beilsteiner Katasterplan aus dem Jahre 1869


Das folgende Foto wurde um 1900 von der Brücke aus Richtung Mosel aufgenommen



Bachstrasse quadratische Foto

Auf der linken Seite ist ein großes Fachwerkhaus zu sehen - heute mein Ferienhaus "Haus kein Moselblick". Am Rande des Hofes eine niedrige Mauer zur Strasse hin. Auch dieses Haus besaß, wie nahezu alle Häuser im Ort eine abgemauerte Grube bzw. Mistkaule, wo der Mist der Nutztiere, Essensreste, Fäkalien u.a. abgelagert wurde.


der Aufnahme dieses Fotos, rund 20 Jahre später, stand der Fotograf nun unterhalb der Brücke - genau zwischen meinen beiden Häusern "Haus kein Moselblick" und "Altes Spukhaus" auf der oberen Bachstrasse.


Osttor von der oberen Bachstraße gesehen

Ein Blick von der oberen Bachstraße in Richtung Marktplatz. Das Bild läßt erahnen, wie hart und kärglich die Lebensbedingungen an der Mosel vor 100 Jahren waren. (Foto etwa 1890)


Häuser untere Bachstraße

Die untere Bachstraße vor dem überbauten Osttor: Das Gebäude links wurde im 19. Jahrhundert von einer Beilsteiner Familie Hirsch bewohnt. (Besitzer 1832: David Hirsch). Die Hirschs waren jüdischen Glaubens und betrieben im Untergeschoss eine koschere Metzgerei.. Auf der rechten Seite der Straße führte eine Art Rampe zum Küfer Jobelius und erleichterte somit den Abtransport von Fässern. Im Vordergrund rechts zu erkennen: Ein Basalt-Rundbogengewände, welches den Eingang zu einem kleinen Gärtchen bildete. Das Gewände war mit Engelsköpfen ornamentiert. Inwieweit das Grundstück mit Kirche oder Kloster in Verbindung stand kann nur vermutet werden. Die komplette ursprüngliche Bebauung oberhalb des Osttores und hier rechts der Bachstraße gelegen, ist leider vor einigen Jahrzehnten weggerissen worden. Ein dreigeschossiger Wohnbau, Schuppen und Garagen verdrängten dieses einmalige Ensemble aus dem 17. Jahrhundert. (Foto etwa um 1900)


Beilsteiner Häuser untere Bachstrasse

1918 verkauften die Hirschs ihr Anwesen an eine Familie, die als letzte in Beilstein vom Moselfischfang lebte. das 5-7 Meter hohe Holzgerüst auf der gegenüberliegenden Straßenseite diente dem Trocknen und Flicken der Fischernetze. Das Foto ist an einem Fronleichnam-Wochenende in den 20er Jahren entstanden. Das Fensterchen über dem Osttorbogen sieht im Vergleich zum vorangegangenen Foto recht anders aus. Zur Fronleichnamsprozession stellte die Familie Jobelius eine Art Altärchen in das geöffnete Fenster.
Links neben dem Torbogen ein zweiachsiger Leiterwagen, der zumeist von einer Kuh gezogen wurde. Davor ein einachsiger Karren, indem seltener eine Kuh eingespannt war, zumeist wurde die sogenannte Karr von Menschenhand geschoben. Die Karr war jahrhundertelang das wichtigste Transportmittel in den Winzerdörfern an der Mosel, so auch in Beilstein.



Leiterwagen-Marktplatz

Ein derartiger zweiachsiger Leiterwagen und ein einachsiger Karr sind auf diesem Foto von etwa 1900 - aufgenommen vor dem Beilsteiner Zehnthauskeller - noch viel besser zu erkennen. Am Ende des schmalen Durchgangs zwischen Zehnthaus und Bürgerhaus steht übrigens ein Karr mit aufmontiertem Faß - zum Transport von Flüssigkeiten.



Karr mit Kuh

Vollgefüllt dürfte ein solches Holzfass doch sehr schwer gewesen sein. Das Einspannen einer Kuh bei dieser Transportaufgabe (aufgenommen um 1920 vor dem Zollhaus in Beilstein) dürfte für den Jungen davor eine kluge Entscheidung gewesen sein.



Leiterwagen-Marktplatz
           
Karr mit Fass 1930er

Einen derartigen Karren mit aufgesetztem Fass lässt sich auf der rechten Abbildung, aufgenommen in den 1930er Jahren an der unteren Alten Wehrstrasse sehr viel genauer betrachten. Das Foto auf der linken Seite, aufgenommen ebenfalls in den 30er Jahren am gleichen Ort besitzt ein aufgesetztes halbes Fass, auch Bütte genannt. In der Bütte befindet sich eine Korngarbe. Für diese geringe Last ein etwas überdimensioniertes Transportmittel. Besser hätte man dieses Bündel Korn in einem Handkarren gezogen, wie er auf dem nun folgenden Foto - aufgenommen an der Nordseite des Zollhauses - zu erkennen ist.




Bollerwagen

Aufnahme um 1900




Zweiachsiger Wagen - Villa Beilstein

Dieser leichte zweiachsige Wagen wurde vielleicht zum Transport von größeren Mengen Heu und Stroh genutzt. Gezogen wurde er entweder von einem Pferd, zumeist aber von einer Kuh. Beilsteiner Winzer hatten vor hundert Jahren kaum die Mittel sich ein Pferd zu kaufen. (Aufnahme etwa 1930 vor dem heutigen Hotel Villa Beilstein)



Heuwagen im Ost-Stadttor

Beladen konnte ein derartiger Wagen mitunter so aussehen. Die Heuernte, die hier hoch aufgeladen durch das Osttor bugsiert wird, dürfte für die Familien und deren Viehhaltung in der oberen Bachstrasse bestimmt gewesen sein.(Aufnahme um 1930)


Zweiachsiger Wagen mit Bütte

Für die wirklich großen und schweren Güter brauchte man hingegen ganz andere Transportlösungen.Diese robusten zweiachsigen Wagen wurden von den Beilsteinern für schwere und große Güter benutzt, wie Holzstämme, Steine, Erde usw. Hier auf der Fotografie ( etwa 1910-1920) ist ein solcher Wagen bei der Traubenlese im Einsatz. Die Wagen konnten nicht von Menschenhand gezogen werden. Hier mußte eine Kuh, besser noch ein Ochse ran.




Weinlese Ernst Kochems

Ein Ochsengespann brachte die nötige Kraft auf noch einen angehängten Karren am zweiachsigen Wagen mitzuziehen. Hier füllt der Beilsteiner Winzer Edmund Kochems und sein Erntehelfer eine Bütte mit den gelesenen Trauben. Dieses Wagengespann befand sich im September 1937 an der Moselstrasse und wurde fotografiert für das Titelblatt einer Illustrierten.


Ochsengespann auf der oberen Bachstrasse

Das ist auf dieser Abbildung (datiert Oktober 1938) nun der Fall. Das Ochsengespann, welches hier die Beilsteiner Bachstraße hochzieht, soll offensichtlich anschließend etwas sehr Schweres ins Dorf zurückbringen. Im Monat Oktober dürfte es sich wahrscheinlich um eine oder mehrere Traubenbütten handeln.




Beilsteiner auf der Fähre

Zu diesen harten Lebensbedingungen gehörte ein hoher Grad an Selbstversorgung. Selbstangebautes Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte besserten den täglichen Speiseplan auf. Beilstein besitzt kaum Fläche für Gärten. Im gegenüberliegenden Ellenz- Poltersdorf besaßen viele Beilsteiner kleine Gärtchen oder hatten solche gepachtet. Dazwischen lag allerdings die Mosel, die es zu überwinden galt.

Dieses Foto aus den 1920er Jahren bildet eine Gruppe von Beilsteinern auf der Fähre ab. Sie setzen gerade über von Ellenz nach Beilstein.

Flüsse trennten Jahrhunderte lang Landschaften und Herrschaftsgebiete. Brücken gab es oft nur an wichtigen Orten und Handelsplätzen. Diese Handelsplätze siedelten sich zumeist an Orten an, wo Flüsse zusammenliefen (z.B. Koblenz) oder an Stellen, wo Flüsse recht schmal waren und Furten bildeten. Hieraus leiten sich Städtenamen wie Frankfurt, Straßfurt, Schweinfurt etc. ab. Zumeist waren die Menschen an den Flüssen aber angewiesen auf Fähren, Kähnen, Nachen und ähnliche Hilfsmittel. So auch an der Mosel. Brücken gab es bis ins 19./20. Jahrhundert an der Mosel lediglich in Koblenz und Trier.

Luftaufnahme Mosel 1930er
Altes Luftbild aus den 1930er Jahren: Beilstein liegt als letzter Ort
auf der rechten Seite der Mosel. Die waldreichen Hunsrückhöhen
jenseits des rechten Ufers sind gut zu erkennen.


Ellenz Mosel Beilstein
So sah die Mosel - vor dem Bau der Staustufen und der damit
einhergehenden Erhöhung des Wasserspiegels- Jahrhunderte
lang aus zwischen Ellenz und Beilstein.


Mosel Richtung Briedern
Auch diese Fotografie wurde von der Beilsteiner Seite aufgenommen,
diesmal moselaufwärts, Richtung Briedern. An der linken Uferseite
sind umfangreiche Kribben- Werke zu entdecken.


Dass es zwischen Beilstein und Ellenz- Poltersdorf schon früh eine Fährverbindung gab. (Die Fähre findet erstmalige Erwähnung im Ellenzer Schöffenweistum von 1461), war kein Zufall.

Die Ellenz- Poltersdorfer Gemarkung umfasste ursprünglich auch das Gebiet des heutigen Beilsteins. Erst 1308 erhielt Beilstein durch königliche Verfügung das Stadtrecht. Trotzdem blieben vielfältige Verbindungen und gemeinsame Nutzungsrechte erhalten. So beispielsweise das Weiderecht fürs Vieh im Ellenz- Poltersdorfer Gemeindebann - gelegen auf der Beilsteiner Moselseite. Dieses Nutzungsrecht blieb bis ins 18. Jahrhundert erhalten und wurde von den Bewohnern beider Moselseiten genutzt. Auf die recht starke ökonomische Verflechtung beider Orte verweist auch das Ellenzer Grundbuch von 1720. Hiernach waren die Beilsteiner Grundherren die Grafen von Metternich bedeutende Landbesitzer in Ellenz- Poltersdorf, ebenso das Karmeliterkloster und die Beilsteiner Pfarrkirche. Desgleichen besaßen viele Beilsteiner Einwohner Gärten und Grundstücke auf der anderen Moselseite.


Ellenz Blick auf Beilstein
Blick von der Ellenzer Seite auf Beilstein. Die Ellenzer
Anlegestelle lag etwas außerhalb des Ortskernes


Eine Verbindung über die Mosel war also lebensnotwendig. Das Fährrecht stand im ausgehenden Mittelalter wohl der Gemeinde Ellenz- Poltersdorf zu. Mit der französischen Besetzung des Mosellandes ab 1794 war Schluss mit solcherlei feudalen Sonderrechten. Wie es hernach mit dem Fährbetrieb weiterging, geben die historischen Quellen nicht her. Höchstwahrscheinlich haben sich die Bewohner beider Seiten mit der Nutzung kleinerer und größerer Kähne beholfen. Diese heißen an der Mosel Nachen.

Nachen gegenüber von Beilstein


Nachen vor Zollhaus



Auf der nun folgenden Abbildung, einem Holzstich von 1886 sind sowohl
einige Fischerboote, als auch Nachen verschiedener Größe zu erkennen.

Holzstich Beilstein 1886


Auf einem der Nachen wird Vieh transportiert. Ganz im Hintergrund ist bereits ein dampfbetriebenes Schiff zu erkennen, welche die Mosel seit den 1840er Jahren befuhren. Einige Familien besaßen eigene Nachen, andere waren bei der Überfahrt auf die Hilfe ihrer Nachbarn angewiesen. Auf diesen Nachen wurde alles nur Erdenkliche transportiert: Menschen, Vieh, Ochsenwagen, Gemüse, Obst, Holz, Baumaterialien und vieles mehr.

Nachen mit Ziege


Nachen voll besetzt

Das mitunter sehr waghalsige Beladen dieser Nachen machte die Moselquerung oft zu einem recht gefährlichen Vorhaben. Hiervon zeugt u.a. ein Ereignis aus dem Jahr 1917. Am 3. Januar 1917 versucht eine Gruppe von Männern ( u.a. russische Kriegsgefangene) einen vollbeladenen Mistkarren am Beilsteiner Ufer auf einen Nachen zu hieven. Der überladene Nachen bekam Übergewicht und kenterte. In der eiskalten Mosel, die zudem noch Hochwasser führte, fanden elf Menschen den Tod. Nicht zuletzt wegen solcher Ereignisse und Unfälle wurde bereits im Jahr 1908 eine geräumige und weit sichere Fähre in Betrieb genommen.

Nachkoloriertes Foto um 1900

Dieses nachkolorierte Foto von 1908 zeigt die Fähre beim Anlegen auf der Beilsteiner Seite. Im Anschluss an die umfangreichen Erdarbeiten, d.h. dem teilweise Aufschütten und Angleichen des Uferbereiches auf ein identisches Bodenniveau Anfang der 1890er Jahre hat man auch eine stabil gemauerte steinerne Rampe am Moselufer errichtet.

Faehranleger 1926

Diese flach ins Wasser abfallende Steinrampe wurde auf beiden Seiten eingefasst durch starke Bruchsteinmauern, die weit in den Fluss hineinragten und die Rampe zu ganz unterschiedlichen Wasserpegeln nutzbar machte.Zwischen den beiden Außenmauern war die Anlegerampe belegt mit Kopfsteinpflaster aus Grauwacke.

gemauerte_Steinrampe.jpg

Mauerstärke (etwa 80 cm Durchmesser) und Pflasterung sind auf dieser Aufnahme von 1938 noch besser zu sehen. Die wohl recht stabile Ausfertigung des Bauwerkes mußte winterlichem Eisgang, aber auch zahlreichen Hochwässern (mit Treibgut, wie Ästen, Bäumen, Gerümpel) widerstehen. Abgebrochen wurde die Rampe nach mehr als 70jähriger Nutzung erst 1964. Mit dem Bau der Staustufen und der Erhöhung des Moselpegels um etwa drei Metern an dieser Stelle war die Rampe überflüssig geworden. Die nun folgenden Fotografien zeigen den Uferbereich um die Jahrhundertwende. Etwa zwei Meter unter dem Straßenniveau gabelt sich der Weg. Links führte er Richtung Altes Zollhaus; rechts zum Gasthof Bauer.

Rampe 1


Rampe 2


Rampe 3


Auf der gegenüberliegenden Ellenzer Seite verlief die gemauerte Steinrampe im spitzen Winkel moselabwärts, drängte das Wasser in die Flussmitte bzw. Fahrrinne und besaß somit auch die Funktion einer Kribbe, d.h. Flussregulierung. Das folgende Foto stammt etwa aus der Zeit um 1900.

Anleger Ellenz um 1900


1935 wird schließlich eine Gierponte d.h. Hochseilfähre in Dienst gestellt

Uferfront mit Fähre um 1930.jpg

Solche Hochseilfähren besitzen am Heck und am Bug des Schwimmkörpers ein Seil, welches mit einem quer über die Mosel gespannten Sicherungsseil verbunden ist. Durch genaues Austarieren dieser Seile und die Stellung des Ruders konnte man mit Hilfe der Moselströmung von einem Ufer zum anderen gelangen.


Leiterwagen-Marktplatz
           
Karr mit Fass 1930er


Hier wird ein ganzes Pferdefuhrwerk bzw. ein Ochsengespann mit der Fähre zwischen Beilstein und Ellenz übergesetzt (beide Fotos um 1930 aufgenommen). Das war nie so einfach. Man mußte die Tiere während der Überfahrt ruhig halten, die Fähre dürfte durch plötzliche Gewichtsverlagerung keine Schlagseite erhalten, was ein Kentern zur Folge gehabt hätte. Seit der Kanalisierung und dem Ausbau der Staustufen Anfang der 1960er Jahre hat sich die Strömung der Mosel stark verlangsamt. Seitdem wird die Fähre mit einem (kaum zu überhörenden) Benzinmotor betrieben.



Seilfähre Beilstein 1950er


Mit diesem eigenen Motor war die Fähre auch so wendig und flexibel, dass sie als Einstiegshilfe für die Touristenmotorboote eingesetzt werden konnte. Ab den 1960er Jahren nahm der Tourismus in Beilstein einen starken Aufschwung. Waren es zunächst kleine Motorboote mit wenigen Gästen, landen heute Schiffe in Beilstein an, die bis zu 400 Personen befördern können. Mittlerweile gibt es hierfür einen eigenen Landungssteg. Das war zu Beginn der 60er Jahre noch nicht nötig und die Beilsteiner Moselfähre tat auch hier ihren Dienst.


buch

Die Beilsteiner Fähre besitzt übrigens keinen taktierten Fahrplan oder feste Anlegezeiten. Ist sie gerade am anderen Ufer und man will hinüber, empfiehlt es sich wild zu gestikulieren und darauf zu hoffen, dass der Fährmann gerade keine Kaffeepause macht - ein Stück nostalgische Vergangenheit, aber irgendwie auch symphatisch in unserer schnelllebigen Zeit.

Wer sich in dieses interessante Thema noch weiter vertiefen möchte, dem empfehle ich an dieser Stelle eine wirklich gute und seriöse Internetquelle: Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V.
Personenschifffahrt auf der Mosel in alter Zeit - Die Reisenachen



Vater von Toni Bauer

Dieses Foto zeigt Josef Bauer (1880-1959) den Vater des langjährigen Ortsbürgermeisters Toni Bauer. Auf dem Rücken trägt er eine sogenannte Ginsterschanze, trockenes und abgefallenes Holz vom Ginsterbusch. Dieses Holz wurde zum Anzünden des Herdfeuers oder zum Beheizen des Backofens benutzt.. Der Hauptenergielieferant in Beilstein war das heimische Holz. Eine klassische Winterarbeit war das Schlagen von Holz, mit dem das ganze Jahr gekocht und geheizt wurde.


Holzsammler 1
           
Holzsammler


Trockenes Astholz, ja ganze abgestorbene Baumstämme sammelte man zunächst auf die einachsigen Karren. Auf dem linken Foto sind ganze drei Generationen damit beschäftigt. Danach transportierte man eine solche Wagenladung aus den höher gelegenen Hunsrückhöhen hinunter ins Moseltal. Das war im Winter bei Eis und Schnee eine recht mühsame und beschwerliche Arbeit.

Zollhaus 1900

Solcherlei Holzvorräte in Form geschlagener Äste und zu Haufen vor dem Zollhaus aufgeschichtet erkennt man auf dieser alten Aufnahme.


Holzvorrat Winter Zehnthaus              Holzvorat vor Zehnthaus


Holzvorat vor Zehnthaus

Auch auf dem Marktplatz vor dem Zehnthaus wurde um die Jahrhundertwende große Mengen an Winterholz gestapelt und zurecht gesägt. Schaut man sich die Menge an Holz an, die von den Beilsteiner zu diesen Zeiten in den umliegenden Wäldern geschlagen wurde, ist es schon verwunderlich, dass Beilstein heute überhaupt noch von Wald umgeben ist. (beide Fotos um 1900)

Wald um Beilstein
In den Hunsrückhöhen oberhalb Beilsteins gab es dichte Wälder, die auch heute noch die Landschaft kennzeichnen. Foto ca.1970





Holzsägende Moselaner

Hatte man die Stämme vor das eigene Haus geschafft, wurden sie zunächst zwecks Lagerung aufrecht an den Hauswänden aufgestellt oder man sägte sie gleich in kurze Stücke. Es war nicht unüblich, dass solch eine Arbeit auch von Frauen geleistet wurde. Den Einsatz von elektrischen Sägen und Maschinen konnte man sich in den Moseldörfern vor dem 2. Weltkrieg kaum leisten. Hand- und Muskelarbeit war hier angesagt.


Holzsäger


Waren die Baumstämme in kurze Teilstücke zersägt, wurden sie mit der Axt in handliche Holzscheite zerlegt. Das war dann doch in der Regel Männerarbeit.


Holzhacken am Nordwest-Turm


Wenn man die ganze geleistete Arbeit berücksichtigt, ist es nachvollziehbar, dass man mit dem Heizmaterial Holz sehr sparsam versuchte umzugehen.


HOLZ auf großem Leiterwagen
           
Adenauer während eines Rundfunkinterviews vor dem Beilsteiner Bürgerhaus


Die Winter waren lang, die meisten Beilsteiner Familien besaßen lediglich eine Feuerstätte fürs ganze Haus. Trotzdem benötigte der Ort große Mengen an Holz (auf der linken Fotografie sieht man einen großen Leiterwagen voll beladen und auf der rechten Fotografie lange Äste an einem Haus in der Straße "Hinter Port" stehend. Beide Aufnahmen entstanden um 1920).

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hin war es üblich, dass man in den Wald ging um tote Äste, abgefallene Stämme und Zweige zu sammeln. Dieses sogenannte Raffholz wurde von denjenigen zusammengerafft, die kein Geld hatten sich teures Feuerholz zu kaufen. Der Baum war Privatbesitz des Waldbesitzers, was herunterfiel nicht. So regelte es seit alters her das Gewohnheitsrecht, niemand erhob ernstlich Anspruch auf das tote Bruchholz.

Um 1840 steigerte sich die Nachfrage nach Holz drastisch, nicht zuletzt durch den Eisenbahnbau und den Bergbau. In den deutschen Provinzen drängten die Waldbesitzer darauf das Sammeln von abgefallenem Holz aus den Wäldern zu verbieten. So wurde bsw. im Oktober 1842 im Landtag der Preußischen Rheinprovinz eine Gesetzesvorlage diskutiert, die das uralte Gewohnheitsrecht auf Totholzsammeln in den Wäldern nun plötzlich zu einer Straftat machte.



<\div> Eine schiere Katastrophe für die ärmeren Bevölkerungsschichten, so auch für nahezu alle Beilsteiner. Das Gesetz wurde schließlich verabschiedet und somit verteuerte sich im Winter 1842 das Leben vieler Menschen links und rechts des Rheines schlagartig. Verschlimmert wurde die Lage noch durch einen frühen Wintereinbruch in diesem Jahr mit sehr kalten Temperaturen in Eifel, Hunsrück und Moseltal. Zwar wurde in den meisten Orten eine gewisse Menge Gemeindebrandholz den Einwohnern kostenlos zugesprochen. Die Menge reichte aber kaum aus, um über mitunter lange und strenge Winter zu kommen. Aus purer Verzweiflung hielten viele Menschen am alten Gewohnheitsrecht fest. In der Folge wurden alleine in der Pfalz innerhalb von zwei Jahren 75.000 Fälle von Holzdiebstahl verfolgt und 10.000 Gefängnisstrafen vollstreckt.



Marx Redakteur der Rheinischen Zeitung

Karl Marx, damals ein blutjunger Trierer Journalist polemisierte in der liberalen Rheinischen Zeitung im Oktober / November 1842 in einer vierteiligen Artikelserie gegen dieses Gesetz u.a. mit den Worten: "Sammeln von Raffholz und Holzdiebstahl sind also wesentlich verschiedene Sachen". Marx sollte sich schon sechs Jahre später - über die Not der Moselaner Winzer hinausgehend - mit noch ganz anderen Dingen, nämlich der Abfassung des Kommunistischen Manifestes beschäftigen und damit einige Berühmtheit erlangen.

Jedenfalls mussten nun auch die Beilsteiner für ihr Heizmaterial zahlen, ein Umstand, der die Not der Moselwinzer in der Mitte des 19. Jahrhunderts um ein vielfaches vergrößerte. Auch zu diesem Thema hatte Marx bereits im Jahr zuvor 1841 in der Rheinischen Zeitung journalistisch gearbeitet.


Rheinische_Zeitung

Ob die diversen Holzvorräte in den vorrangegangenen Abbildungen alle zum Kontingent des Gemeindebrandholzes gehörten oder ob es sich um eine Art privat geschaffene "Übermenge" handelte, will ich an dieser Stelle nicht weiter erörtern.

Literaturempfehlungen zum Thema:





Kinder an der Mosel stereobild: Kinder an der Mosel
größer
Die vier Jungs, die hier dem Fotografen Modell standen, haben so rein gar nichts mit den üblichen gestellten Kinderfotos der Jahrhundertwende gemein. Es handelt sich wohl um eine ungeplante Momentaufnahme, die aber gut zeigt, wie sich Beilsteiner Kinder zu dieser Zeit kleideten. Im Gras liegt eine Kiepe, die man zum Transport von Gemüse, Obst, Holz, Werkzeug oder Viehfutter benutzte. Vielleicht waren die Kinder gerade mit dem Sammeln von Klee oder Gras beschäftigt, als der Fotograf sie überraschte. (Foto um 1912)
Dieses Foto schaffte es tatsächlich bis in die USA. Im Jahre 1912 verkaufte ein amerikanischer Verlag dieses Motiv als Stereoskopie auf Karton gedruckt. Das ist eine spezielle Aufnahmetechnik, in der eine Doppelkamera ein identisches Bild mit geringfügig verändertem Standort fotografiert. Dieses Doppelbild/ Stereosfoto wird in einem speziellen Guckkasten vom Betrachter angeschaut und täuscht das menschliche Auge insofern, dass der Betrachter ein plastisches/ dreidimensionales Bild glaubt vor Augen zu haben. Um die Jahrhundertwende war dieses Verfahren sehr beliebt und bsw. eine Jahrmarktatraktion. Dieses Beilsteiner Kinderfoto hat also unglaublicherweise mit dazu beigetragen kurz vor dem 1. Weltkrieg in den USA ein Bild über das ländliche Deutschland zu formen. Durch anklicken können sie das farbige Stereokopie-Kärtchen betrachten.



Die Beilsteiner Bannmühlen

Beilsteiner Bannmühlen heute
Ehemalige Mühle aus nord-westlicher Richtung
aufgenommen im Jahr 2010


Ehemalige Mühle aus süd-östlicher Richtung aufgenommen im Jahr 1916
Ehemalige Mühle aus süd-östlicher Richtung
aufgenommen im Jahr 1916


Von den drei ursprünglichen Beilsteiner Bannmühlen im Tal des Strimmiger Bachs steht heute nur noch dieses ehemalige Mühlengebäude. Mühlen - durch Wasserkraft angetrieben - waren schon den Römern bekannt und gelangten von dort nach Germanien. Die ursprüngliche Freiheit, eine Mühle zu bauen und zu betreiben, wurde im frühen Mittelalter zu einem Königsrecht. Mit der Ausdifferenzierung der Machtstrukturen im Hoch- und Spätmittelalter ging das Mühlenrecht zunehmend über auf die Territorialmächte, also auf Landes- und Grundherren. So geschehen auch in Beilstein.

Der Bau einer Mühle erforderte enorme Geldsummen. Erbauer einer neuen Mühle waren in der Regel also die besitzenden Grundherren ( das konnten weltliche Grafen, aber auch kirchliche bzw. klösterliche Güter sein). Die Grundherren überließen die Mühlen zumeist dem Müller im Wege der Erbpacht. Der Müller zahlte einmal jährlich zu Martini (11. November) seine vereinbarte Pacht ( Mehl, Lebensmittel und/oder Geld) an die Obrigkeit. Die Grundherren sicherten sich auf diesem Wege eine regelmäßige Versorgung mit Lebensmitteln und den Pachteinnahmen. Um eine Konkurrenz zwischen den Mühlen auszuschließen und die Bauern daran zu hindern, ihr Korn beim preiswertesten Müller mahlen zu lassen, schuf man Mühlbezirke. In diesen Bezirken wurden den Mühlen bestimmte Orte mit ihren Bauern zugewiesen. Die Orte wurden von der Obrigkeit in ausgesuchte Mühlen gebannt, die Mühlen wurden somit zu Bannmühlen (Zwangsmühlen).

In den drei Beilsteiner Bannmühlen mussten die Bauern aus Beilstein, Ellenz und Poltersdorf ihr Korn mahlen lassen. Der Umstand, dass Müller nicht nur ihren eigenen Lohn in natura einbehielten, sondern einen beträchtlichen Teil des angelieferten Korns als Abgabe an die Obrigkeit gleich einbehielten und somit als Büttel des Grundherren auftraten, mag zu ihrem schlechten Ruf beigetragen haben. Vielfach hielten Müller auch Mehl zurück, betrogen Bauern beim Abmessen des Mehls etc. Ein zeitgenössischer Liedtext zeugt hiervon. Das Gewerbe des Müllers und sein oftmals recht zweifelhaft erworbenes Vermögen führte im Spätmittelalter zur Betrachtung des Müllerhandwerkes als einem der "unehrlichen" Handwerke - ähnlich dem des Henkers, Abdeckers, Zöllners oder Büttels. Als Beispiel für einen Müller, der zu Reichtum kam, soll an dieser Stelle der Müller Conrad Weber genannt werden, der im Jahre 1714 am Fuß der Beilsteiner Klostertreppe ein herrschaftliches Bürgerhaus erbauen ließ. Dass Conrad Weber dann auch noch Kellerer - also der Büttel und Steuereintreiber der Feudalherren - wurde, zeigt die gesellschaftliche Positionierung des Müllerhandwerkes zu dieser Zeit.

Die Quellenlage zur Geschichte der Beilsteiner Wassermühlen ist dürftig. Zumindest zwei Daten verweisen eindeutig auf ihr Bestehen: Als 1322 auf dem Marktplatz zwei Häuser niedergerissen wurden, um die Fläche des Marktplatzes zu vergrößern, wurde einer der Besitzer - Franz Hoffmann - mit der untersten der Mühlen am Fuße des Schlossberges entschädigt. Diese Mühle wurde 1887 von der damaligen Besitzerin Gertrud Hoffmann umgebaut, weil das Gebäude stark baufällig war. Eine Innentüre mit der Jahreszahl 1641 und die Haustüre datiert mit 1726 wiesen auf einen mehrmaligen Umbau des Gebäudes hin. Schließlich wurde das ehemalige Mühlengebäude gänzlich niedergelegt und 1903 auf diesem Grund das heutige Haus Burgschenke errichtet. Von der obersten der drei Mühlen ist ebenso nichts geblieben. Höchstwahrscheinlich stand sie auf dem Baugrund des heutigen Hotels Burgfrieden. Johann von Braunshorn hat also mit seiner Herrschaft Beilstein und dem Ausbau des Örtchens zur befestigten Stadt ab 1310 zugleich seine Einnahmen aus dem Mühlenrecht gesichert. Zum zweiten gibt die Beilsteiner Überlieferung eine Anekdote aus dem Zeitraum 1768-94 wieder, die zeigt, dass es Bannmühlen in Beilstein unter dem landesherrlichen Mühlenrecht wohl bis zur französischen Besetzung im Jahre 1794 gegeben hat. Die Franzosen versteigerten am 23.5.1805 eine der oberen Mühlen aus dem enteigneten Besitz des Grafen von Metternich für 1400 France an den Müller J.Bauer aus Beilstein. Die andere Mühle aus dem oberen Bachtal - ebenfalls aus dem enteigneten Metternich`schen Besitz - ging bei einer weiteren Versteigerung am 5.9.1805 für 365 France an die Witwe N. Bach aus Beilstein. Als nach Abzug der Franzosen unser Gebiet ab 1817 unter die Preußische Verwaltung gestellt wurde, kam es nicht mehr zur Wiedereinführung des alten Mühlenrechtes. Preußen hatte bereits 1810 den Mühlenzwang der Bannmühlen aufgehoben.

Mühlen wurden errichtet von Mühl-Schirrwerkern oder sogenannten Mühlenärzten. Diese wurden auch für Reparaturen benötigt, ein hochspezialisiertes Handwerk, welches ebenso wie das des Müllers eine mehrjährige Lehrzeit voraussetzte. Die Wasserräder der drei Mühlen in Beilstein bedurften einer Mindestmenge an Wasser, welches der kleine Strimmiger Bach, der sich von den Hunsrückhängen das Mühltal herunter und die Beilsteiner Bachstraße hinab in die Mosel ergoss, kaum liefern konnte. Also staute man oberhalb der dritten Mühle den Bach zu einem Mühlteich auf. Reste eines hierzu errichteten Erdwalls sind heute noch zu erkennen. (etwa am Ortsausgangsschild der Landstraße, die auf den Hunsrück führt).


karte

Abbildung nach Tranchot und von Müffling 1803-1820


Wollte man die Mühlen betreiben, öffnete man ein Wehr und eine genügende Menge Wasser wurde über Holzrinnen auf die offenen Kammern eines Holzrades geleitet. Diese Antriebsform nennt sich oberschlächtiger Antrieb. Sie bedarf eines - im Mühlental vorhandenen - Gefälles. Gefälle und Gewicht des Wassers wirken zusammen und übertragen die Drehbewegung auf einen hölzernen Wellbaum. Der Wellbaum wiederum leitet die Kraft auf den Läuferstein weiter. Dieser dreht sich über einen feststehenden Bodenstein. Zwischen Bodenstein und Läuferstein wird das Mahlgut zerrieben.

NBeilsteiner Bannmühlen 1900
Zeichnung etwa aus dem Jahr 1900
           
Weg zur Mühle ca 1960
Das Beilsteiner Mühltal in den 1960er Jahren.
Ganz links unten das letzte noch vorhandene Mühlengebäude

Die Zeit der Beilsteiner Bachmühlen ist seit mehr als hundert Jahren Vergangenheit. Große Mühlen in der näheren Umgebung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch zunehmend elektrifiziert wurden, haben die kleinen Mühlen abgelöst. Aber das Bachtal, in dem einst das Klappern der hölzernen Mechanik vom Müllerhandwerk laut hörbar kündete, heißt in Beilstein heute noch "Im Mühlental".





 <  home zurück    weitere Bilder ...      top ^